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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten
Autoren: Stefan Holtkötter
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Geschäftszimmerbeamte
losschicken, verdammt. Die waren seit Jahren nicht mehr im Einsatz. Und dann
ziehen Sie mir noch die Schichtdienstleistenden ab. Kommen Sie mir also nicht
mit Notstand.« Grimmiges Schweigen. Offenbar war er am Telefon. »Also gut. Kann
ich mich darauf verlassen, dass Sie mir meine Leute zurückschicken, sobald der
Einsatz im Kink Klub abgeschlossen ist? Beim Auswertungsangriff müssen sie ja
nicht unbedingt dabei sein.«
    Anna hatte das Gefühl, in Watte zu fallen. Der Kink
Klub. Dort sollte die Razzia also stattfinden. Aus Gründen der Geheimhaltung
erfuhren sie den Einsatzort immer erst kurz vorher. Anna hatte auch dieses Mal
keine Ahnung davon gehabt.
    Ihr Herz hämmerte. Langsam erhob sie sich, stützte
sich an der Holztheke ab und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Der Kink
Klub.
    Paul erschien im Gang, im Gesicht einen gehetzten
Ausdruck. »Wo bleibst du denn, Anna?«
    Es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie konnte
das Für und Wider nicht abwägen. Sie musste handeln, und zwar sofort. Also
machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte zurück in den Bereitschaftsraum.
    Â»Ich hab noch was vergessen«, rief sie über die Schulter.
»Eine Sekunde.«
    Â»Anna!«
    Doch da hatte sie bereits die Tür hinter sich zugeworfen.
Sie sprang mit einem Satz zu ihrem Spind und riss die Tür auf. Sie schnappte
sich den Rucksack, zerrte den Reißverschluss auf und wühlte in ihren Sachen,
bis sie das Handy gefunden hatte. Die Nummer war gespeichert, sie musste nur
die Taste drücken.
    Anna wartete angespannt. Sie hörte ihren schweren Atem
und den gedämpften Lärm aus dem Wachlokal. Es ist Wahnsinn. Was ich hier tue,
ist absoluter Wahnsinn. Ich setze alles aufs Spiel. Meinen Beruf, meine ganze
Karriere, alles bringe ich in Gefahr. Und das nur wegen …
    Â»Der Kink Klub, hier ist Tom!«
    Der dunkle Klang seiner Stimme fuhr ihr durch den
Körper. Plötzlich spielte Zeit keine Rolle mehr. Sie schien stehen geblieben zu
sein. Alles war nun egal. Ihre Entscheidung war gefallen.
    Â»Euch steht eine Razzia ins Haus. In einer Stunde geht
es los.«
    Damit war die Blase zerplatzt, die Hektik kehrte zurück.
Paul würde jede Sekunde auftauchen. Sie wartete keine Antwort ab, drückte die
Verbindung weg und warf das Handy zurück in den Rucksack. Mit klopfendem Herzen
starrte sie in den Spind. Mein Gott. Was tue ich hier? Dann warf sie die Tür
ins Schloss und rannte hinaus zum Bus, wo die Einsatzkräfte auf sie warteten.
    Kaum war sie auf die enge Bank geklettert, fuhr der
Bus los. Die Stimmung war gut, einige der Kollegen kannten sich von vergangenen
Einsätzen, die anderen mischten sich munter in die Gespräche. Anna lehnte sich
zurück. Sie war völlig durcheinander. Hoffentlich fiel es keinem auf, wenn sie
schwieg und nicht wie die anderen Sprüche klopfte.
    Mit ihren Gedanken war sie bei Tom. Wie er in ihrem
Bett lag, nachdem sie sich das erste Mal geliebt hatten. Seine dunkle Haut mit
den vielen Tätowierungen wirkte auf dem weißen Laken wie ein Kunstwerk. Sie
konnte gar nicht den Blick davon abwenden.
    Â»Du bist wirklich bei der Polizei, Anna?«, hatte er gefragt
und lachend den Kopf geschüttelt. »Unfassbar.«
    Â»Was ist denn so schlimm daran? Ich mag meinen Job.«
    Â»Nein, es ist ja gar nicht schlimm. Nur irgendwie …
ach, ich weiß auch nicht. Schräg.«
    Â»Für mich ist das ganz normal. Mein Vater war schon
bei der Polizei. Ich fand das immer toll.«
    Er lachte wieder. »Wir kommen wohl aus völlig verschiedenen
Welten.«
    Das nahm sie als Herausforderung. Sie versuchte ihm zu
erklären, weshalb sie die Arbeit bei der Polizei so mochte. Warum ihr das alles
so wichtig war. Weshalb sie sich nicht vorstellen konnte, jemals etwas anderes
zu machen.
    Â»Anna?« Paul holte sie aus ihren Gedanken. Offenbar
war ihm aufgefallen, wie still sie geworden war. Inzwischen hatte der Bus gehalten,
und sie standen vor dem Dezernatsgebäude, in dem die Schulungsräume waren.
    Â»Was denn?«, fragte Anna und sprang auf den Hof, ohne
eine Antwort abzuwarten.
    Der Einsatzleiter stand unter Zeitdruck. Er wartete ungeduldig,
bis alle in dem muffigen Schulungsraum versammelt waren, dann begann er, den
Einsatzplan zu erklären. Als es endlich still geworden war und er den Zielort
bekanntgab, ging sofort das Flüstern wieder los, denn offenbar kannten
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