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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten
Autoren: Stefan Holtkötter
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Polizei sperrte den Park weiträumig ab. Dabei kam
es zu Verkehrsproblemen und zu Staus rund um den Großen Stern …«
    Gestern Nacht war ein Mord passiert? Michael Schöne runzelte
die Stirn. Er hatte Bereitschaft gehabt und hätte doch dabei sein müssen. Er
holte den Pieper aus seiner Jeans. Nichts. Er war nicht benachrichtigt worden.
Seltsam. War das etwa eine Falschmeldung?
    Vielleicht hatten die Kollegen ja geglaubt, er wäre
schon im Urlaub? Morgen war sein letzter Arbeitstag, danach ging es in die
längst überfälligen Ferien. Drei Wochen. Damit hatte er noch nicht einmal den
Resturlaub des vergangenen Jahres abgetragen. Wusste der Himmel, wie und wann
er den übrigen aufgehäuften Urlaubsanspruch einlösen sollte. Am liebsten würde
er ihn einfach verfallen lassen.
    Der heiße Kaffee war wohltuend. Er schloss die Augen.
Urlaub. Vielleicht würde sich ja im letzten Moment noch etwas ändern. Irgendein
großer öffentlichkeitswirksamer Fall, der alle Ressourcen beanspruchte. Der ihn
zwingen würde, seine freien Tage noch einmal zu verschieben. So etwas kam
durchaus vor. Dann würde er gar nicht darüber nachdenken müssen, was er mit der
vielen freien Zeit anstellen sollte.
    Â 
    Eine knappe Stunde später betrat er das wuchtige Gründerzeitgebäude
in Tiergarten, in dem die Abteilung Delikte am Menschen untergebracht war. Er
ging über den vertrauten, düsteren und um diese Uhrzeit noch menschenleeren
Flur zu seinem Büro. Anke, die Kollegin, mit der er sich das Büro teilte, war
noch nicht da. Ihr Platz war verwaist, der Computer ausgeschaltet, und die
Akten, an denen sie gerade arbeitete, lagen ordentlich sortiert auf dem
Schreibtisch. Wie er arbeitete sie erst seit Kurzem im Referat, sie waren
ungefähr gleich alt, und ihr Status als relative Berufsanfänger verbündete sie.
Nur was ihre Pünktlichkeit betraf, waren sie sehr unterschiedlich.
    Hinter sich im Flur hörte er Schritte. Er blieb in der
offenen Tür stehen und sah sich um. Frau Schrade, die Schreibkraft der Kommission,
erklomm im Trenchcoat und mit einem riesigen Regenschirm bewaffnet die obersten
Stufen der Treppe. Ihre Betonfrisur hatte keinen Tropfen abgekommen, genauso
wenig ihr mit Make-up zugespachteltes Gesicht. Sie entdeckte Michael und grüßte
ihn beiläufig und mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Er hätte nicht sagen
können, wann er sie das letzte Mal hatte lächeln sehen.
    Â»Wissen Sie, ob wir diesen Schwulenmord haben?«,
fragte er. »Ich hab im Fernsehen was darüber gesehen.«
    Sie musterte ihn aus maßvoller Distanz.
    Â»Wer soll ihn denn sonst haben? Sind Sie nicht angerufen
worden gestern Nacht?«
    Â»Nein. Deshalb frage ich.«
    Â»Tja.« Sie ging zu ihrem Büro und schloss auf. »Der
Herr Herzberger wird sich schon was dabei gedacht haben.«
    Was bist du nur für eine Zicke, lag es ihm auf der Zunge,
aber er schluckte es herunter und ging in sein Zimmer.
    Nachdem er seine E-Mails gecheckt hatte, sah er durch
die offene Bürotür, wie Wolfgang Herzberger vorbeiging. Gerade steuerte er den
Besprechungsraum an, wo Kühlschrank und Kaffeemaschine standen. Michael sprang
auf und lief ihm hinterher.
    Â»Wart ihr gestern Nacht im Tiergarten?«
    Sein Chef drehte sich um. Der leere Blick und die herabhängenden
Gesichtszüge waren Antwort genug. Er hatte wohl keine Lust auf diese
Unterhaltung.
    Â»Warum werde ich denn nicht zum Tatort gerufen?«
    Wolfgang seufzte. »Es waren genug Leute da. Wir sind
aufgestockt worden.«
    Â»Aber beim ersten Angriff braucht man doch jede verfügbare …«
    Â»Michael. Heute und morgen kümmerst du dich noch um
den Prostituiertenmord. Dann können wir die Akten schließen. Und danach geht’s
in den Urlaub. Es sind doch nur noch zwei Tage.«
    Â»Aber so lange bin ich doch ein vollwertiges Mitglied
der Kommission!«
    Ohne eine Regung zu zeigen, wandte sich Wolfgang
wieder ab. Im Gehen sagte er: »Für den Prostituiertenmord, ganz richtig. Für
den Schwulenmord brauchen wir dich nicht.«
    Â»Aber der Fall ist in den Medien. Ich habe sogar was
im Frühstücksfernsehen gesehen. Du wirst jeden brauchen, den du kriegen
kannst.«
    Doch Wolfgang ging einfach weiter, den Blick starr auf
die Tür des Sitzungsraums gerichtet.
    Â»Ich könnte meinen Urlaub verschieben. Wenn du mich
brauchst, bin ich da. Du kannst auf mich
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