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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten
Autoren: Ulrike Rylance
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Offenbar fand er das ulkig.
    David trat neben mich. Er klatschte nach einer Schnake auf seinem Arm und musterte den entstandenen braunen Matschfleck. Sein Gesicht verzog sich kurz zu einem befriedigten Lächeln.
    »So schnell bist du tot!«

4.
    Ein Summen weckte mich auf. Es kam von einer fetten Fliege, die penetrant um mich herumflog. Sekundenlang wusste ich nicht, wo ich mich befand. Ich richtete mich auf. Meine Haare klebten verschwitzt am Kopf, meinen Schlafsack hatte ich weggestrampelt. Das Boot. Ich war in Tante Lenas Hausboot. Ich schlief auf einer klumpigen alten Couch, mir gegenüber lag David auf dem Boden und schnarchte leise. Er war nicht mal zugedeckt und trug noch seine Turnschuhe, aber es schien ihn nicht zu stören. Die beiden Jungs hatten gestern noch voller Begeisterung die halbe Flasche Whiskey geleert, die sie im Schrank gefunden hatten und die schon wer weiß wie lange dort stand. Ich blinzelte. Ein Sonnenstrahl drängte sich durch die schrecklichen karierten Vorhänge. Es war neun Uhr und bereits unglaublich warm.
    Das Hausboot bestand lediglich aus dem Wohnbereich, in dem ich mich jetzt mit David befand, und einem kleinen Schlafzimmer, das Melanie und Alex sofort mit viel Gekicher in Beschlag genommen hatten. Wenn Tobi noch kam, würde David irgendwo anders schlafen müssen, auch wenn ich selbst nichtwusste, wo. Bei dem, was ich mit Tobi vorhatte, brauchte ich jedenfalls keine Zuschauer. David konnte vielleicht draußen schlafen? Warm genug war es ja. Hier war jedenfalls kein Platz, da war nur noch ein Chemieklo, das wir spätestens bei der Abreise ausleeren sollten, und eine Duschkabine mit einem Wassertank dahinter. Im Wohnraum gab es einen Tisch, aber nur zwei Stühle, einen Gaskocher mit einer Propangasflasche daneben und eine kleine Spüle. Außerdem noch Geschirr, vertrockneten Ketchup, Skatkarten und eine Vase mit Kunstblumen. In der Ecke stand eine Kiste mit Brettspielen, ein paar Büchern und einem Angelratgeber. Kein Fernseher, kein Kühlschrank. Die Steckdosen gingen auch nicht. Alex hatte gestern einen Tobsuchtsanfall ersten Grades hingelegt.
    »Wie soll ich denn mein iPhone aufladen? Ich habe kaum noch Saft drauf. Was ist das denn für ein mittelalterlicher Scheiß?« Anklagend hatte er mir sein Handy hingehalten.
    »Wenn wir zelten würden, hättest du auch keine Steckdosen!« David war ganz ruhig geblieben. »Und wenn dein Akku leer ist, kann dich halt keiner mehr erreichen, ist doch auch mal schön.« Es kam mir fast so vor, als ob David sich darüber freute.
    Bei dieser Nachricht war Alex vor Wut bald geplatzt und hatte sich nur durch Melanie ablenken lassen, die ihren Bikini anzog und verkündete, dass sie jetzt schwimmen gehen würde.
    Trotz der Scherben. Der See war schließlich viel tiefer als der Kanal, und so wie es aussah, waren hier sowieso seit Ewigkeiten keine Touristenhorden mehr gewesen, um irgendwelchen Müll in den See zu schmeißen.
    Ich zog jetzt den Vorhang zur Seite. Selbst die milchigen Scheiben konnten nicht verbergen, wie wundervoll es draußen aussah. Der schimmernde See. Die Sonnenstrahlen. Die alten Bäume, die so knorpelig verformt waren, dass sie fast menschliche Gestalt hatten. Ich stand auf und ging raus. Draußen war der Steg, von dem aus gestern Melanie ins Wasser gesprungen war. Ein Ruderboot war lose mit einem Seil an einem Pflock festgebunden. Sonderlich vertrauenerweckend sah es nicht gerade aus, außerdem bot es nur Platz für zwei Leute. Wir würden uns irgendwie ein zweites organisieren müssen. Ich setzte mich hin und atmete die frische Luft ein. Das Hausboot, das uns am nächsten war, befand sich auf der rechten Seite des Sees, nachdem er einen Knick gemacht hatte. Es war gar nicht so weit weg, vielleicht 50   Meter, und war mindestens doppelt so groß wie unseres. Es sah schon von außen tausendmal besser aus als das von Tante Lena. Ich roch frisch gebrühten Kaffee. Da war offenbar jemand drin. Um den halben See herum war das nächste Hausboot auf dem Wasser   – es war weiß und mit Blumenkästen behängt, wie ein englisches Cottage. Dort war also auch Leben. Ein Stück weiter weg, unsgegenüber, befand sich das letzte Hausboot   – aus dunkelrotem Holz, mindestens schon so alt wie das von Tante Lena. Es sah unbewohnt aus. Doch daneben bewegte sich etwas. Einen Moment lang erschien ein helles Gesicht neben einem Busch, dann war es wieder weg. Waren das blonde Dreadlocks? Oder litt ich schon an Halluzinationen?
    »He!« David trat
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