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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten
Autoren: Ulrike Rylance
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eine Kusshand zu. Sofort löste sich ihr Unmut in nichts auf.
    »Na ja.« Sie grinste. »Er hat schon auch seine guten Seiten.«
    Die wollte ich lieber gar nicht erst hören.
    »Und du? Wie findest du David? Der ist doch ziemlich süß, oder?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ja. Aber bisschen unnahbar.« Und er ist nicht Tobi, fügte ich in Gedanken hinzu, obwohl ich langsam anfing, mich über den zu ärgern. Kam er nun noch oder nicht   – was war denn so schwer daran, mir das mitzuteilen? Mein Blick blieb an etwas hängen. Da vorn, bei der Fischbude, das war doch . . .
    »Ach, der mag dich bestimmt, meinst du nicht?« Melanie ließ nicht locker. »Du hast doch eine Topfigur und bist nicht so fett wie ich, und wenn ich deine langen dunklen Schneewittchenhaare hätte . . .«
    »Du bist nicht fett. Du bist sexy. Und wahrscheinlich bin ich ihm nicht blond genug«, antwortete ich mechanisch. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Blondie mit den Jeansshorts und den Filzhaaren. Mit David. Sie legte gerade ihre Hand auf seine Schulter. Wollte sie ihn umarmen? Wo kam die schon wieder her? Heute trug sie ein weißes Spitzenhemdchen und mindestens ein Pfund Ketten um den Hals.
    Die beiden redeten, die Köpfe eng aneinander. Dann trat er plötzlich einen Schritt zurück. Drehte sich um und lief weg.
    Er kam direkt auf uns zu. Ich rührte hastig in meinemKaffee. Hatte er gesehen, wie ich ihn beobachtet hatte?
    »Gebongt!« Alex erschien wieder auf der Bildfläche. »Das alte Chick da drin lässt mich hinten in der Küche mein Handy aufladen. Ich kann es in zwei Stunden wieder abholen.« Er rieb sich die Hände. »Wer hat Lust auf eine voll geile Tour?«
     
    Alex konnte sein Handy nach zwei Stunden nicht abholen, weil die voll geile Tour uns mittlerweile ins Nirwana des Spreewaldes verschlagen hatte.
    »Scheiße«, schimpfte er. »Wie kommen wir jetzt zurück in das blöde Kaff?«
    »Da vorn war ein Schild. Du hast ja nicht auf mich gehört!« Melanie ließ die Beine ins Wasser hängen. Das kleine Paddelboot schwankte beängstigend.
    »Pass auf! Und das bekloppte Schild war auf Polnisch.«
    »Sorbisch. Die sprechen hier Sorbisch!«
    Die beiden hatten schräg vor uns angehalten, Alex hielt sich an einer Wurzel fest. Wir waren schon wieder an einer namenlosen Kreuzung angekommen. Vor einer Stunde hatten wir festgestellt, dass keiner von uns daran gedacht hatte, die Spreewaldkarte mitzunehmen.
    Nach und nach waren uns immer weniger Leute begegnet, zuletzt ein älteres Paar mit einem glatzköpfigen Mann am Steuer, der gerade bei dem Versuch, das Boot umzudrehen, seiner Partnerin das Paddelans Ohr geschmettert hatte. Die wollten wir nicht fragen, denn sie fingen sofort an, sich zu streiten.
    »Der Kanal wird immer enger«, bemerkte David. Überflüssigerweise. Das sahen wir selbst. Einmal waren wir zwischendurch an Land geklettert, hatten aber nur ein Feld hinter dem Waldrand erspähen können. Das ohnehin schon trübe Gewässer war hier noch mit grünen Schlieren bedeckt. Es roch modrig und sumpfig, und obwohl die Sonne nur noch vereinzelt durch das Dickicht brach, war es unerträglich schwül. Unzählige spinnenartige Tiere rasten auf ihren langen Beinen über das Wasser. Melanie blickte sie voller Horror an. Sie sah mittlerweile aus, als hätte sie Windpocken.
    »Wir fahren wieder zurück«, entschied ich. »Hier kommen wir nicht weiter.«
    »Blödsinn«, sagte Alex sofort. Einfach so. Weil er sich ja von einem »Chick« nichts sagen lassen konnte.
    »Was ist denn das?« Neugierig beugte sich David vor und sah in den Kanal. Er stieß mit seinem Paddel nach etwas Dunklem, das unterhalb der grünen Grütze herumschwamm. Eine Wolke kleiner Fliegen surrte geradezu besessen darüber herum.
    »Lass es«, sagte ich schnell.
    »Hat da jemand Angst vorm Wassermann?« Er sah mich spöttisch an.
    »Nein. Aber ich will kein halb verwestes Irgendwas sehen.«
    »Ist alles nur Natur.« David schien testen zu wollen,wie weit er gehen konnte. Er hielt das Paddel wie einen Speer in einer Hand und zog sich mit der anderen an einem Stück Schilf näher ans Ufer.
    »Hör auf!« Melanie stellte sich im Boot auf, ohne auf Alex' Gemecker zu achten. »Wir fahren jetzt zurück. Wir finden das schon. Alex und ich fahren nach rechts, ihr fahrt nach links. Wer zuerst da ist, guckt auf diese idiotische Karte, ruft die anderen mit dem Handy an und leitet sie zurück!«
    »Alex hat keins«, erinnerte David sie. »Das ist noch im Café.«
    »Dann nehme
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