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Todesangst

Todesangst

Titel: Todesangst
Autoren: Robin Cook
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sich dem Gang zu, der zu Roger Wanamakers Sprechzimmer führte. Dieser war ein auf Herzkrankheiten spezialisierter Internist, dessen Meinung Dr. Howard hoch schätzte. Er erwischte ihn, als er gerade aus einem der Untersuchungszimmer heraustrat. Wanamaker war ein feister Mann mit dem Gesicht eines alten Jagdhundes, auf dessen Seiten die Haut in dicken Falten herunterhing.
    »Hätten Sie bitte mal einen Augenblick Zeit für eine kurze Kollegenberatung?« fragte er ihn.
    »Wenn ich Ihnen ’ne dicke Rechnung schicken darf«, scherzte Dr. Wanamaker. »Worum geht’s denn?«
    Jason Howard folgte dem Kollegen in dessen unordentlich wirkendes Sprechzimmer.
    »Um eine merkwürdige Übereinstimmung, die mir sehr zu schaffen macht«, sagte er. Dabei schlug er in den Mäppchen seiner drei verstorbenen Patienten die Seiten mit den EKG-Notierungen auf und legte sie vor seinen Kollegen hin. »Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden. Aber mir sind drei Männer mittleren Alters gestorben, kurz nachdem ihre Routineuntersuchung bei mir ihnen einen guten Gesundheitszustand bestätigt hat. Einer heute - Herzwandruptur nach schwerem Myokardinfarkt. Ich habe ihn vor drei Wochen seiner üblichen Jahresuntersuchung unterzogen und muß sagen, daß ich selbst jetzt im nachhinein nicht das geringste Anzeichen für diesen Ausgang finden konnte. Was halten Sie davon?«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, während Dr. Wanamaker die EKG-Eintragungen überflog. »Willkommen im Club«, sagte er schließlich.
    »Wie bitte?« fragte sein Kollege verwirrt.
    »Diese EKGs sind völlig in Ordnung«, antwortete Dr. Wanamaker. »Wir alle haben schon die gleiche Erfahrung gemacht. Bei mir selbst gab es innerhalb der letzten Monate vier solcher Fälle. Jeder, der bereit ist, das offen zuzugeben, kann auf wenigstens einen oder zwei derartige Fälle verweisen.«
    »Und wieso ist das bisher nicht herausgekommen?«
    »Ja, warum wohl?« sagte Roger Wanamaker mit einem schiefen Lächeln. »Sie haben die Sache ja bisher auch nicht an die große Glocke gehängt, oder? Das ist irgendwie wie schmutzige Wäsche. Es wäre uns wohl allen viel lieber, wenn da kein großes Aufhebens darum gemacht wird. Aber Sie sind doch zur Zeit Gruppensprecher - warum berufen Sie nicht eine Sitzung ein?«
    Dr. Howard nickte bedrückt. Unter der Herrschaft der GHP-Verwaltung, die alle wesentlichen organisatorischen Entscheidungen von sich aus fällte, war das Amt des Gruppensprechers nicht gerade erstrebenswert. Es wechselte alljährlich unter den Internisten des Hauses, und vor zwei Monaten war es Jason Howard zugefallen.
    »Ich glaube wirklich, daß ich das tun sollte«, meinte er und sammelte seine Patientenmäppchen wieder ein. »Selbst wenn weiter nichts dabei herauskommt, sollten die Kollegen doch wenigstens wissen, daß sie nicht allein von diesen Vorgängen betroffen sind.«
    »Hört sich gut an«, sagte Dr. Wanamaker und wuchtete seinen mächtigen Leib auf die Beine. »Aber setzen Sie nicht voraus, daß die anderen genauso offen sind wie Sie selbst.«
    Jason Howard eilte zurück zum Empfangsschalter und gab dort Sally zu verstehen, daß sie nun den ersten Patienten zu ihm schicken könne. Dann wandte er sich an Claudia: »Claudia, ich muß Sie um einen Gefallen bitten. Erstellen Sie mir eine Liste aller Patienten, bei denen ich im Laufe des Jahres die übliche Untersuchung vorgenommen habe; legen Sie mir die Unterlagen dazu heraus, und fragen Sie den derzeitigen Gesundheitszustand ab. Ich möchte sichergehen, daß bei keinem der anderen ernsthafte gesundheitliche Probleme aufgetreten sind. Offenbar hat es auch bei den Kollegen hier ähnliche Vorgänge gegeben. Das ist etwas, mit dem wir uns eingehender beschäftigen müssen.«
    »Das wird aber eine Mordsliste«, warnte Claudia.
    Dr. Howard war das durchaus klar. Im Bemühen um das, was die GHP-Versicherung »vorbeugende Medizin« nannte, hatte sie diese regelmäßigen Jahresuntersuchungen stark propagiert und deren Ablauf so schematisiert, daß man sie an einer möglichst großen Zahl von Mitgliedern durchführen konnte. Dr. Howard selbst nahm, wie er wohl wußte, durchschnittlich fünf bis zehn solcher Untersuchungen pro Woche vor.
    Während der nächsten Stunden widmete sich Jason Howard seinen Patienten, die ihn mit einem nicht endenden Strom von Problemen und Klagen überhäuften. Sally war unermüdlich damit beschäftigt, immer neue Patienten in die Untersuchungsräume zu schicken, kaum daß die vorhergehenden
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