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Tod ist nur ein Wort

Tod ist nur ein Wort

Titel: Tod ist nur ein Wort
Autoren: Anne Stuart
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sie würde auch nie wie eine Französin aussehen. Ihr fehlte einfach jener Stil, den sogar ihre englische Mitbewohnerin im Überfluss besaß. Sie konnte zwar Sylvias Kleider tragen, doch nie würde sie diesen leicht arroganten, immer ein wenig amüsierten Gesichtsausdruck hinkriegen, den sie so bewunderte. Dann konnte sie ebenso gut noch dazu einen dicken Hintern haben.
    Der Verlag der Gebrüder Laurent befand sich im dritten Stock eines Altbaus in der Nähe von Montmartre. Chloe war wie immer die Erste und setzte eine Kanne jenes starken Kaffees auf, den sie so liebte. Mit einer Tasse zwischen den kalten Händen stand sie am Fenster und sah hinunter auf die belebte Straße. Die Brüder schalteten über Nacht die Heizung aus, und ihr als jüngster Mitarbeiterin war es untersagt, den Thermostat zu berühren. Also hatte sie sich angewöhnt, immer einen Extra-Pullover in ihrer kleinen Arbeitsecke aufzubewahren. Es war ein herrlicher Tag, ein strahlend blauer Himmel spannte sich über den alten Gebäuden um sie herum, und aus irgendeinem Grund vermochten es die Abenteuer von Flora, dem putzigen kleinen Frettchen, noch nicht, sie an ihren Schreibtisch zu locken. Zu wenig Sex & Crime, dachte sie voller Wehmut. Stattdessen moralische Belehrungen von einem dürren Nagetier im pinkfarbenen Ballettröckchen mit den Wertvorstellungen eines Republikaners. Wenn Flora sich doch nur einmal ihr Röckchen runterreißen und sich auf das schelmische Wiesel stürzen würde, das ein Auge auf sie geworfen hatte. Aber so weit würde Flora niemals gehen.
    Chloe nippte an ihrem Kaffee. Stark wie der Glaube, süß wie die Liebe, schwarz wie die Sünde. Solange sie dazu nicht rauchte, wäre sie niemals eine richtige Pariserin, doch so weit würde sie nicht einmal gehen, um ihre nervigen Eltern zu ärgern. Abgesehen davon, dass ihre Eltern umso weniger nervig waren, je weiter sie von ihnen fort war.
    Da die anderen Kollegen erst in einer Stunde eintrafen, würde es wohl kaum jemand bemerken, wenn sie noch einige kostbare Minuten vor sich hin träumte, bevor sie sich der langweiligen Flora zuwandte. Kein Wunder, dass diese Figur sie dermaßen frustrierte. Auch sie selbst brauchte ein bisschen mehr Sex & Crime in ihrem Leben.
    Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, meldete sich eine Stimme in ihrem Kopf, die Chloe aber sogleich verscheuchte, indem sie ihren Kaffee trank. Bemerkenswert an ihrem Sex war nur seine inzwischen zehnmonatige Abwesenheit. Und ihre letzte Affäre war so glanzlos verlaufen, dass sie keinerlei Motivation verspürte, sich um einen Ersatz zu bemühen. Nicht, dass Claude ein besonders schlechter Liebhaber gewesen war. Aber er pries seine diesbezüglichen Fähigkeiten etwas zu sehr und erwartete von der linkischen
Américaine
, dass sie dementsprechend beeindruckt sei. Was sie nicht war.
    Und wahrscheinlich konnte sie auch gut ohne Crime leben, das ja gewöhnlich mit Blut einherging, was ihr wiederum den Magen umdrehte. Nicht, dass sie in ihrem Leben schon viel Erfahrung mit Verbrechen gesammelt hätte. Sie war behütet aufgewachsen und beherzigte bestimmte Vorsichtsmaßnahmen. Sie spazierte niemals nachts durch verrufene Stadtteile, sie verschloss ihre Türen und Fenster und sie schaute jedes Mal nach links und rechts und betete inbrünstig, bevor sie eine Straße in Paris überquerte.
    Nein, sie konnte sich auf einen weiteren ruhigen Winter freuen, in dem sie ständig fror, Pasta aß und
Flora, das mutige Frettchen
übersetzte und danach
Bruce, die Mandarine.
Auch wenn sich ihr bislang noch nicht erschlossen hatte, wie eine Mandarine ein eigenständiges Leben führen konnte. Vielleicht war das der Grund, warum sie so lange an Flora saß – weil sie wusste, dass danach eine Zitrusfrucht auf sie wartete.
    Früher oder später käme ein neuer Liebhaber. Vielleicht würde Sylvia ja tatsächlich ihren Millionär finden und ausziehen, und Chloe träfe einen hübschen freundlichen Franzosen mit Brille, einem knochigen Körper und einer Vorliebe für die experimentelle Küche.
    Bis dahin aber musste sie sich mit dem beherzten kleinen Frettchen beschäftigen – und mit der frustrierenden Aufgabe, das französische Äquivalent für “beherzt” zu finden.
    Sie hörte Sylvia schon, bevor sie oben war – hörte das unvermeidliche Klackern der Absätze ihrer teuren Schuhe auf den Treppenstufen, die gemurmelten Flüche. Fragte sich nur, warum Sylvia drei Stunden vor ihrem üblichen Arbeitsbeginn auftauchte.
    Die Eingangstür schwang auf
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