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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
Autoren: Irene Rodrian
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sog ihn ein, füllte seine Lungen und schloß die Augen. Als er die Luft nicht länger anhalten konnte, atmete er mit einem leichten Seufzer aus. Der Rauch blieb hell und süß vor seinem Gesicht. Harry hielt die Augen halb geschlossen; durch den schmalen Spalt sah er die Glut der Zigarette. Das Rot wurde intensiver, strahlte auf die Wände über, sie färbten sich warm rosa, die Steine vor seiner Zelle goldgelb. Die Eidechsen glänzten grün. Smaragde. Harry lächelte. Die Haut auf seinen Armen spannte sich, wurde heiß. Er nahm noch einen Zug.
    Die Eidechsen beobachteten ihn neugierig. Huschten plötzlich weg.
    Harry hörte nichts. Als ein Schatten den Eingang seiner Zelle verdunkelte, schreckte er schwerfällig auf. Der Guardia hatte einen Schnurrbart. In den schwarzdrahtigen Haaren hingen Tabakkrümel. Er streckte die Hand nach der Zigarette aus.
    ***
    2
    Scheißstraße, dachte sie. Die Steine schlugen hart durch die Reifen, das Fahrrad sprang unter ihr. Dann dachte Ruth wieder an Harry.
    Am Anfang der weißen Mauer stieg sie ab und lehnte das Rad gegen die Steine. Sie sah an sich herunter. Das gelbe Kleid betonte, wie braun sie war. Spießig sieht das aus, dachte sie; ich hätte die Jeans anziehen sollen ... Diese alte Drecksau! Sie nahm einen Kamm und einen Taschenspiegel aus ihrem Korb und kämmte sich sorgfältig. Auf ihrer Stirn glänzten Schweißperlen. Sie setzte sich auf einen Stein neben der Mauer in den Schatten einer Krüppelpinie und wartete, bis sie sich etwas abgekühlt hatte. Ihre Knie zitterten. Vom Radfahren, redete sie sich ein; von dieser blöden Straße ... Bloß nicht nervös werden. Sie zündete sich eine Zigarette an und sog den Rauch ein. Viel half es nicht. Vor ihr flimmerte die Luft über der ausgedörrten Erde. Die Blätter der Olivenbäume waren silbern, die der Feigenbäume fast braun. Auf dem steinigen Feld standen Schafe, bewegungslos, wie aus Holz, dicht neben der niedrigen Mauer aus Natursteinen, in einem engen Kreis, jedes den Kopf tief unter den Bauch des nächsten gesenkt, um etwas Schatten zu haben. Schwarze Ziegen, die kurze Grashalme zwischen den Steinen hervorzupften. Ein unverputztes Bauernhaus, ein paar Ställe, die weißen Hauswürfel der Ausländer, und dahinter das Meer. Knallblau wie üblich.
    Ihr fiel plötzlich auf, daß es sehr still war. Irgendwo brummte ein Motorrad; ein paar von diesen komischen Zikaden sirrten in den Bäumen wie Elektrorasierer, eine Ziege meckerte. Aber hinter der weißen Mauer war es still. Die Hunde hatten noch nicht angeschlagen. Ruth dachte an die Hunde und an Baumann und hatte Angst.
    Sie stand langsam auf, trat die Zigarette aus und ging zum Tor. Es war aus massivem Pinienholz mit schmiedeeisernen Verzierungen und einem Keramikschild: CASA MAX. Ruth verzog den Mund und klopfte mit der Faust gegen das Holz.
    »Hallo! Ist jemand da?«
    Die Hunde schlugen immer noch nicht an. Es war zu ruhig. Vielleicht sind alle weg, dachte Ruth mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Aber die Hunde? Sie klopfte noch einmal und öffnete den Mund, um zu rufen, als sie die Schritte hörte, leichte, müde Schritte. Das Schloß knirschte, das Tor öffnete sich einen Spalt.
    »Ja?« Erikas dünne Stimme. Ihr Haar war grau und strähnig und machte das glatte, rosige Gesicht viel älter, als es war. »Ach, Ruthchen!« Es klang herzlich, aber die Tür öffnete sich nicht weiter.
    »Ist Max da?« Ruth war froh, daß Erika zu Hause war, wenn auch von ihr keine Hilfe zu erwarten war.
    »Ja. Aber ...« Erika zögerte.
    Ruth drückte die Tür auf, Erika drückte automatisch dagegen. Sie war erstaunlich stark. Ruth lehnte sich gegen die Tür, Erika gab plötzlich nach, Ruth stolperte hinein, lächelte.
    »Es ist wichtig, Erika. Ich muß ihn sprechen. Dauert nicht lang.«
    »Schon gut; komm rein!« Erika machte resigniert einen Schritt zur Seite; zwischen dem massiven Tor und der hohen Mauer sah sie klein und dünn und zerbrechlich aus. In ferner glorreicher Vergangenheit Gaumeisterin im Turmspringen oder so ähnlich ... Sieht man ihr auch nicht mehr an, dachte Ruth.
    Sie ging an Erika vorbei. Als sie das erste Mal hier gewesen war, hatte sie der lächerliche Aufwand des Hauses noch beeindruckt, jetzt bedrückte er sie. Vier für Inselverhältnisse riesige Gebäudeklötze umschlossen wie ineinandergeschachtelte Schuhkartons einen mit Natursteinen gepflasterten Innenhof. Tiefviolette Bougainvillea, blauer Wein, rosa Geranien, Kakteen mit gelben und
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