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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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verzerrte, nicht recht feststellen konnte, wie sie eigentlich aussah. Außerdem hatte sie den Kragen ihres dunklen Mantels hochgeschlagen bis an die Wangen, hielt ihn mit einer Hand zusammen und ließ ihn nur los, um die Brille hochzuschieben.
    »Vielleicht möchten Sie gern Ihren Mantel ablegen«, schlug der Maresciallo vor.
    »Nein, nein. Danke. Es ist schon in Ordnung so.« Aber es war sehr warm in dem kleinen Büro.
    Sie war nicht nur kurzsichtig, stellte er fest, sie war auch ungemein schüchtern und ziemlich aufgeregt.
    »Was wollten Sie mir denn sagen?«
    »Es geht nicht um mich … das heißt … es geht um eine Freundin …«
    »Und was ist mit dieser Freundin passiert?« fragte der Maresciallo und überlegte, ob diese Freundin überhaupt existierte. Viele Leute kamen mit langen, wirren Geschichten über irgendwelche erfundene Freunde, die dann mit dem Satz endeten: ›Und was soll ich – äh, mein Freund – Ihrer Meinung nach jetzt tun?‹ »Wir wohnen zusammen.« Die Hand schob erneut die Brille hoch und verdeckte das Gesicht.
    »So? Sie wohnen zusammen?« Kam sie vielleicht irgendwann einmal zur Sache? Dennoch verriet der Maresciallo keine Ungeduld, sondern blieb ruhig sitzen, die großen Hände auf der Schreibtischplatte, und beobachtete sie. Schließlich sah er, daß es hoffnungslos war, daß sie nicht weiterreden würde, und meinte: »Wo ist diese Wohnung, die Adresse?«
    »Via delle Caldaie … das geht von der Piazza Santo Spirito ab.«
    »Ich weiß, wo es ist. Welche Hausnummer?«
    »Nummer neun. Oberstes Stockwerk.«
    »Haben Sie Telefon?«
    »Ja.« Sie gab ihm die Nummer, und er schrieb sie für alle Fälle auf den Block neben dem Telefon.
    »Wie lange wohnen Sie schon hier?«
    »Ich … wir – seit dem ersten Juli, seit wir aus der Schweiz hierhergekommen sind.«
    »Aufenthaltserlaubnis?«
    »Die habe ich nicht mit, ich dachte nicht, daß …«
    »Haben Sie eine?«
    »Ja. Und Monika auch. Für drei Monate. Im Dezember läuft sie aus.«
    Gut, das war immerhin ein Fortschritt. Die Freundin hatte jetzt einen Namen und war demnach wohl nicht erfunden.
    »Und zu welchem Zweck wurde der Aufenthalt bewilligt?«
    »Zu Studienzwecken. Ursprünglich waren wir gekommen, um an der Scuola Raffaello zu studieren – es war mehr ein verlängerter Urlaub, aber dann haben wir beschlossen, noch etwas zu bleiben.«
    »Es gefällt Ihnen hier, ja?«
    »Sehr. Wir sind immer noch an der Schule eingeschrieben, obwohl ich keine Gebühren mehr bezahle, ich helfe im Sekretariat aus.«
    »Ist das zu Hause Ihr Beruf?«
    »Nein … nein, wir sind beide Lehrerinnen, und das werden wir auch weiter sein, wenn wir zurückgehen, nehme ich an, wenn …« Wieder wanderte die Hand an die Brille. Der Maresciallo war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, Tränen in den Augen des Mädchens zu sehen.
    »Hören Sie, Signorina … Ich sehe zwar, daß Sie sich über irgend etwas Sorgen machen, aber wenn Sie mir nicht sagen, worum es geht, kann ich Ihnen nicht helfen, stimmt’s?«
    »Das können Sie wahrscheinlich sowieso nicht.«
    Der Maresciallo unterdrückte einen Seufzer. Doch diesmal fuhr das Mädchen unaufgefordert fort: »Ich habe mir gesagt, ich warte drei Tage – ich habe es nicht einmal in der Schule erzählt –, aber dann, heute morgen, bin ich in Panik geraten. Sie ist manchmal tagsüber weggewesen, aber über Nacht … sie hat nichts mitgenommen, wissen Sie, deshalb war ich –«
    »Ihre Freundin ist also verschwunden?«
    »Genau. Darum mache ich mir ja Sorgen.«
    »Eben. Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    »Freitagnachmittag gegen vier.«
    »Dann ist sie also seit Freitag verschwunden?«
    »Nein. Also, vielleicht schon, aber ich war nicht da. Ich war in Rom, wissen Sie, mit einer Gruppe aus der Schule. Wir sind am Montagvormittag zurückgefahren. Ich habe nicht erwartet, daß Monika in der Wohnung ist, weil sie vormittags arbeitet, aber dann ist sie am Nachmittag nicht gekommen, und auch gestern abend nicht – glauben Sie wirklich, daß sie vielleicht schon seit Freitagabend vermißt ist?«
    »Wie sollte ich das wissen können, Signorina – aber nun machen Sie sich mal keine Sorgen. Wie alt ist Ihre Freundin Monika?«
    »Fünfundzwanzig.«
    »Dann ist sie alt genug, um selbst auf sich aufzupassen und, wenn sie Lust hat, einen Ausflug zu machen, oder?«
    »Sie hat nichts mitgenommen.« Das Mädchen wurde rot vor Wut. Sie mochte ja schüchtern sein, aber sie war eigensinnig und verteidigte ihren Standpunkt.
    »Wenn
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