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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau
Autoren: Marek Krajewski
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Studenten? Da gibt
    es doch auch solche …«
    Andreae lächelte säuerlich.
    »Zum Glück gibt es die, Herr Rat. Nun, ich werde
    mich bemühen, den Text so gut zu übersetzen, wie ich
    kann. Außerdem fällt mir eben ein Student ein, der mir
    wohl so eine gewisse – wie haben Sie es genannt? – ab-
    weichende Neigung zu haben schien. Baron Wilhelm von
    Köpperlingk.«
    »Auf Wiedersehen, Herr Professor.« Mock nahm sei-
    nen Hut.

    Breslau, 13. Mai 1933.
    Zwei Uhr nachmittags

    Im Polizeipräsidium wartete Kleinfeld schon mit Moses
    Hirschberg auf ihn. Hirschberg war um die vierzig,
    braunhaarig und eher klein gewachsen, er hielt sich leicht gebeugt. Er wiederholte genau das, was Mock bereits von
    Kleinfeld wusste.
    »Sagen Sie, Hirschberg, wo haben Sie eigentlich früher
    gearbeitet?«
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    Der Kellner hatte nach einem Infekt in der Kindheit
    einen merkwürdigen Tick zurückbehalten: Wenn er
    sprach, hob sich sein rechter Mundwinkel ein wenig, was
    wie ein wohlwollendes und manchmal auch spöttisches
    Lächeln aussah. Er nannte etwa ein Dutzend herunterge-
    kommener Kneipen, dabei hörte er nicht auf zu »lä-
    cheln«. Und wieder ging etwas mit Mock durch. Er trat
    auf den Zeugen zu und schlug ihm mit der flachen Hand
    ins Gesicht.
    »Findest du das komisch, du Jidd? Vielleicht hast du
    diesen Unsinn in deiner barbarischen Sprache dort an die
    Wand geschmiert?«
    Hirschberg bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
    Heinz Kleinfeld, einer der besten Mitarbeiter in der Kri-
    minalabteilung, dessen Vater Rabbiner gewesen war,
    stand wie versteinert daneben und blickte zu Boden.
    Mock schluckte und bedeutete ihm mit einer Geste,
    Hirschberg hinauszuführen. Seine Hand schmerzte. Er
    hatte etwas zu fest zugeschlagen.
    Im Besprechungszimmer warteten seine Leute bereits
    auf ihn. Beim ersten Blick in die Runde war ihm klar,
    dass es keine großartigen Enthüllungen geben würde.
    Hanslik und Burck hatten zwölf Tierhändler verhört, aber
    keiner von ihnen hatte je mit Skorpionen zu tun gehabt.
    Smolorz hatte zwar nicht die Spur eines privaten Terrari-
    umbesitzers ausfindig machen können, aber er hatte eine
    interessante Information: Ein Hausmeister hatte angege-
    ben, dass ein untersetzter und bärtiger Bewohner des
    Mietshauses, das er betreute, wohl häufiger Kunde einer
    Zoohandlung sei und dort des Öfteren giftige Reptilien
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    und Echsen kaufe. Leider waren aber keine genaueren
    Angaben über diesen Herrn aus dem Hausmeister heraus-
    zubringen. Reinhard und seine Leute hatten fünfzig Da-
    men in den Bordellen verhört. Eine davon hatte zugege-
    ben, dass sie einen gewissen Professor kenne, der gerne so tat, als würde er sie mit einem Schwert massakrieren, und
    dabei etwas in einer fremden Sprache rief. Die Polizisten
    wunderten sich, dass diese Nachricht auf ihren Chef nicht
    den geringsten Eindruck zu machen schien. Dank der be-
    reitwilligen Auskünfte der Prostituierten hatte der Ermittler Reinhard eine Liste mit fünfzehn Sadisten und Feti-
    schisten anlegen können, die unvorsichtig genug gewesen
    waren, die Mädchen in ihre Wohnungen einzuladen. Sie-
    ben von ihnen hatte man nicht zu Hause angetroffen, die
    anderen acht hingegen besaßen ein hieb- und stichfestes
    Alibi: Ihre entrüsteten Ehefrauen behaupteten überein-
    stimmend, dass ihre jeweils »schlechteren Hälften« die ge-
    strige Nacht im Ehebett zugebracht hätten.
    Mock bedankte sich bei allen und gab ihnen ähnliche
    Anweisungen für den nächsten Tag, wenn auch niemand
    über einen Sonntag im Dienst erfreut war. Beim Ab-
    schied zog Mock Forstner bei Seite:
    »Holen Sie mich morgen um zehn Uhr ab. Wir werden
    einer bekannten Persönlichkeit einen Besuch abstatten.
    Und dann werden Sie ins Universitätsarchiv gehen. Keine
    Sorge, es wird geöffnet sein. Einer der Bibliothekare wird morgen ausnahmsweise Dienst haben. Sie werden eine
    Liste all derer anfertigen, die in irgendeiner Form mit
    dem Studium der Orientalistik in Berührung gekommen
    sind. Angefangen mit denen, die nach einem Semester
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    das Studium abgebrochen haben, bis hin zu denen, die
    ein Doktorat auf dem Gebiet der Iranistik oder der Sino-
    logie haben. Apropos, Forstner, wissen Sie, was Sanskrit
    ist?«
    Mock wartete die Antwort nicht ab und ging.
    Er überquerte den Schweidnitzer Stadtgraben in Rich-
    tung Wertheim-Kaufhaus, bog dort nach links in die
    Schweidnitzer Straße, passierte das von den beiden alle-
    gorischen Figuren, dem »Staat« und dem »Krieg«,
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