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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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gemacht hatte, musste er in Zukunft alleine tun. Und das war viel.
    Sie hatten sich vor zehn Jahren in der Provence kennen gelernt, im Urlaub, es war kurz nach Martins siebenundzwanzigstem Geburtstag gewesen, bei einer Panne an einem irrsinnig heißen Tag. Er hatte hilflos neben dem Wagen gestanden, sein Studium als Maschinenbauer half ihm auch nicht weiter, denn die Benzinpumpe war kaputt, und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Er betrachtete die Umgebung, und sein Blick fiel auf Rosen am Rande eines Weingartens, und er wunderte sich, wie jemand auf die Idee kam, in dieser Einöde Rosen zu züchten. Aus dem Flimmern über der Chaussee löste sich ein Fahrzeug, Martin hob den Arm, der verbeulte Kastenwagen hielt tatsächlich, und ein gut gelaunter Franzose in seinem Alter bot seine Hilfe an. Mit Händen und Füßen erklärte er ihm, Martins Französisch war damals noch mangelhaft, was es mit den Rosen auf sich hatte. An ihnen zeigen sich Schädlinge und Pilze, noch bevor sie den Wein befallen.
    Den kaputten Wagen schleppte Gaston zu dem Winzer, bei dem er damals arbeitete. Im Haus war Platz, und weil Martin einige Tage auf die Benzinpumpe warten musste, war er geblieben. Gaston führte ihn in den Weinbau ein, eine lebendige Welt im Gegensatz zu seinem Job als Konstrukteur am Rechner. Martin entdeckte hier seine Gabe, Düfte wahrzunehmen, Weine zu riechen, sie zu unterscheiden und sich auch später noch an sie zu erinnern.
    Von dieser Reise brachte er eine Auswahl von Weinen der Provence mit, verschenkte sie, bestellte nach, besorgte neue für Freunde und Kollegen und legte sein erstes Weinlager im Keller seiner Wohnung an. Je mehr der Wein ihn interessierte, desto langweiliger empfand er seinen Job, in den er hineingeraten war, weil es sich eben so ergeben hatte - wie so oft in seinem Leben.
    Er machte Fehler bei der Arbeit, war unkonzentriert und zeigte wenig Interesse, bis eines Tages sein Chef ihn zu sich rief: «Man ist nur bei dem gut, was man wirklich gern tut.» Klarer hätte er sich kaum ausdrücken können.
    Die ersten Jahre im Weinhandel waren alles andere als ein Vergnügen. Die kaufmännische Seite lag Martin wenig. Später verdiente er gut, aber je besser das Geschäft lief, desto höher wurden die Steuern. Das ergab wenig Sinn. Also beschränkte er den Umsatz auf ein gesundes Maß und half Gaston lieber beim Anlegen des Weinbergs in Saint-Émilion. Dabei lernte er die Beschaffenheit des Bodens zu beurteilen und pflanzte mit ihm die ersten Rebstöcke. Bei seinen vielen Aufenthalten im Bordelais knüpfte er Kontakte zu Winzern auf beiden Seiten der Gironde und in Entre-Deux-Mers. Die ersten kleinen Geschäfte mit nicht registrierten Weinen entwickelten sich dabei fast von allein, und Martin entdeckte, dass sich davon gut leben ließ.
    In letzter Zeit jedoch hatte sich die Lage geändert. Die Börse trudelte, Vermögen verschwanden, Firmenkunden verzichteten auf Präsente, und Unternehmer, die zu seinen besten Kunden gehört hatten, wurden arbeitslos. Das Geld wurde knapper. Billigmärkte mit einer spanischen Reserva oder einem Cru Bourgeoise für 4,99 Euro hatten Konjunktur. Martin war es ein Rätsel, wie man dieses grauenhafte Zeug trinken konnte.
    «Du hörst mir nicht zu», sagte Petra ärgerlich und blickte von der Speisekarte auf. «Stell dich der Realität. Du siehst wie immer an den Fakten vorbei. Gaston ist tot! Es ist traurig für dich, für seine Frau, aber ändern kannst du nichts mehr, nur dich damit abfinden. Reiß dich zusammen, du siehst aus wie ein geprügelter Hund.»
    So fühlte Martin sich auch. Von Mitgefühl keine Spur, dachte er bitter. Normalerweise rappelte er sich nach einer Katastrophe schnell wieder auf, Selbstmitleid war ihm fremd, doch dies war etwas anderes. Es ging hier nicht um ein geplatztes Geschäft, auch wenn Petra sich so verhielt, als ob das der Fall sei. Ihre Kälte erschreckte ihn.
    Martin betrachtete ihr fein geschnittenes Gesicht, den schönen geraden Mund, um den sich in letzter Zeit ein Zug von Hochmut gebildet hatte. Das Haar war sorgsam gefärbt, jede Strähne und jeder Schimmer geplant, die Hände gepflegt mit glänzenden Nägeln. Das alles hatte ihm gefallen, jetzt sah er, dass alles nur Fassade war.
    Er wandte den Blick ab und klappte die in Leder gebundene Speisekarte auf. Seit gestern Morgen hatte er nichts gegessen. Gestern? Vom Haut-Bourton und dem Diebstahl erzählte er Petra lieber nichts. Sie würde wie immer ihm die Schuld daran geben.
    «Ich
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