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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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nehme den Crevettencocktail und dann den Seeteufel. Hast du was gefunden? Du bist eingeladen.» Petra tätschelte begütigend Martins Hand.
    Wie schnell sie sich auf die Stimmung ihres Gegenübers einstellen kann, dachte er verletzt. Oder war sein Misstrauen inzwischen so groß, dass er nichts mehr gelten ließ?
    «Nimm auch den Seeteufel, der ist hier wunderbar. Den Wein suchst du natürlich aus.» Sie lächelte verbindlich.
    Martin hielt den Riesling von 1996 für ideal - mineralisch, reintönig und trocken statt sauer. Er bestellte das Essen und wollte gerade nach dem Wein fragen, als Petra entschieden dazwischenfuhr:
    «Wir nehmen den sizilianischen Chardonnay von Planeta, im Barrique ausgebaut, der ist gut, meinen Sie nicht auch, Lodovico?» Der Inhaber des Romolo, der sie persönlich bediente, nickte ergeben. Martin schluckte nur, es war ihm zu blöd, ihr ins Wort zu fallen - der Chardonnay passte überhaupt nicht -, und der Abstand zwischen ihnen wuchs.
    Petras Thema war wie üblich ihr Job als Public Relations-Beraterin in einer großen Agentur. Sie berichtete von neuen Strategien für neue Firmen, von wahnsinnig interessanten Leuten, neuen Projekten und Ideen. Martin hatte das alles schon mal gehört, wenn auch in anderer Form, und er konnte beim besten Willen keinen Unterschied darin entdecken, ob sie für einen Fußballverein arbeitete oder ein Duschgel; für Petra hingegen war es ungeheuer wichtig, und so zwang er sich, bei ihrem Marketing-Geplapper eine interessierte Miene aufzusetzen.
    Er erinnerte sich an jenen Empfang, für den er die Weine geliefert hatte und auf dem sie sich kennen gelernt hatten. Der Veranstalter, mit dem er häufig zusammenarbeitete, hatte ihn eingeladen: «Schau dir die Gäste gut an, alles Verrückte aus der Werbebranche», hatte er gelästert, «aber sie zahlen gut.» Petra und er waren ins Gespräch gekommen, und er hatte ein wenig über Weine geplaudert. Sie lauschte hingerissen seinen Geschmacksbeschreibungen, und ihre Augen strahlten, als er auf Bordeaux und seine berühmten Châteaux zu sprechen kam. Sie fragte ihn nach Empfängen, fand es phantastisch, unter historischen Kronleuchtern zu soupieren, in Louis Quinze-Möbeln, elegante Roben ringsum, kostbarer Schmuck und erfolgreiche Leute. Anscheinend hatte sie ihn mit diesen verwechselt, und er hatte ihre Faszination als Begeisterung für seine Person missverstanden.
    Martin merkte, dass er die Lippen zusammenpresste. Sah man im anderen nur, was man sich wünschte? Er blickte Petra bitter an: Pech, meine Liebe, leider, für uns beide.
    Petra hatte einen gesunden Appetit, er hingegen würgte den Fisch, der wirklich ausgezeichnet war, ohne Genuss hinunter, blieb einsilbig und vermied jeglichen Kommentar über den aufgemotzten Wein. Der Holzton war penetrant, die Frucht verblasst, aber der Winzer lag im Trend.
    Als sie in Petras Wagen stiegen, zeigte sie wenig Verständnis für seinen Wunsch, zu Hause schlafen zu wollen, allein - ihm stand der Sinn weder nach ihrer neuen Wohnung, die wie die Ausstellungsräume eines bekannten Innenarchitekten aussah, noch nach Sport. Missgelaunt setzte sie ihn vor seiner Wohnung ab. Wahrscheinlich fuhr sie noch in irgendeine Bar.
    Am nächsten Morgen ließ Martin Frankfurt weit hinter sich und fuhr zu einem Waldgebiet, in dem er noch nie gejoggt war. Ohne sich Gedanken über den Weg zu machen, lief er los, verlor seinen üblichen Rhythmus, steigerte das Tempo wie nie zuvor und rannte immer schneller, bis er sich keuchend und schwindlig vor Anstrengung an einem Baum festhalten musste und begriff, dass er sich verlaufen hatte und auf diese Weise der Wirklichkeit nicht entkam. Erst nach zwei Stunden fand er seinen Wagen wieder und erreichte gegen Mittag seinen Laden, froh, dass Sonntag war und er mit niemandem reden musste.
    Unkonzentriert wühlte er sich durch die Korrespondenz, die während seiner Abwesenheit eingetroffen war. Mit seinen Gedanken war er in Saint-Émilion.
    Caroline wird Hilfe brauchen, sie ist mit der Weinlese total überfordert, dachte er, jede Hand wird gebraucht, besonders die des Winzers, der seine Augen überall hat. Wer soll sich darum kümmern? Wer kann zu Ende bringen, was Gaston begonnen hat? Wer soll es weiterführen?
    Zu dritt hatten sie den Weinberg ausgesucht, Caroline, Gaston und er, gemeinsam die Garage gebaut, die Stöcke gepflanzt und die ersten Trauben geerntet. Martin kannte die Kriterien, nach denen Gaston Trauben beurteilte, und hatte dazu eigene
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