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Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)

Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)

Titel: Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
Autoren: Emma Goodwyn
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stülpte sich den hohen Hut auf den Kopf und eilte zum Wachhäuschen am White Tower im Zentrum der Festungsanlage. Zwei seiner Kollegen, die ebenfalls für die Nachtwache eingeteilt waren, kamen ihm entgegen und feixten. Er riss die Tür genau in dem Moment auf, als der Zapfenstreich des Trompeters wie jeden Tag um 22.00 Uhr erschallte.
    „Das war aber knapp, Mackenzie. Nächstes Mal kommen Sie zeitiger. Und setzen Sie Ihre Kopfbedeckung ordentlich auf, die ist ja ganz schief.“, schnarrte der diensthabende Offizier der Nachtwache Philipp Dunders. „Und dann lösen Sie Adams am Byward Tower ab.“ „Selbstverständlich, Sir.“ Verlegen rückte John die Mütze zurecht und begab sich nach draußen.
    Sein Weg führte ihn an der Voliere der neun Raben des Towers vorbei. Obwohl er es eilig hatte, verhielt er doch kurz den Schritt und spähte hinein.
    Die intelligenten Tiere hatten ihn von Beginn an fasziniert. Der Legende nach würde das Königreich verfallen, sollten keine Raben mehr den Tower bevölkern. So hatte Charles II verfügt, dass immer mindestens sechs Raben im Tower leben sollten. Sie waren seit Hunderten von Jahren wichtige Bewohner der Festung und genossen viel Aufmerksamkeit. Ihr Chefpfleger trug den ehrenvollen Titel des Ravenmasters.
    George Campbell, dessen Familie wie Mackenzies Vater aus Schottland stammte, hatte diesen Posten seit bald zwanzig Jahren inne und füllte ihn mit Leib und Seele aus. John hatte in seinen ersten Monaten hier oft Zeit mit ihm verbracht und Campbell sehr zu schätzen gelernt. Üblicherweise hatte der Ravenmaster einen Assistenten, der ihm bei seinen Aufgaben zur Hand ging und ihn bei Bedarf auch vertreten konnte. Allerdings war dieser vor kurzem in Ruhestand gegangen und bisher war kein Nachfolger in Sicht. Daher genoss Campbell es, mit einem aufmerksamen Zuhörer seinen reichen Wissensschatz über die Tiere zu teilen.
    Mittlerweile konnte John die Vögel recht gut voneinander unterscheiden. Ein junger Rabe namens Gworran hatte es ihm besonders angetan. Der Vogel hatte ein großes Talent, Geräusche nachzuahmen und begrüßte ihn mal mit dem Quietschen einer rostigen Tür, mal mit einer Trompetenfanfare.
     
    Jetzt im Winter zogen sich die Vögel gewöhnlich bereits mit Einbruch der Dunkelheit an ihre Lieblingsplätze in der Voliere zurück. Als John ins Rabenhaus hineinsah, konnte er Gworran jedoch nicht auf seinem gewohnten Ast finden. Er entdeckte ihn schließlich in einer dunklen Ecke der Voliere, wo er mit stumpfem Blick auf dem Boden hockte. John ging in die Knie und versuchte, den Raben anzulocken. Gworran aber regte sich nicht. Da stimmt doch was nicht, ging es John durch den Kopf. Ich sollte George benachrichtigen.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es schon fünf nach zehn war und er hastete los. Vom Diensttelefon in der Wachstube aus konnte er George erreichen. Er trabte durch den Durchgang des Bloody Tower aus dem Innenhof hinaus. Als er mit wehenden Rockschößen in die Water Lane einbog, bemerkte er zu seiner Linken einen Beefeater in der blau-roten Uniform, der es ebenfalls sehr eilig hatte. Obwohl er die Gestalt nur von hinten auf dem kaum erleuchteten Weg sah, war John fast sicher, dass dies der Ravenmaster war. Auf sein Rufen erhielt er jedoch keine Antwort. Die Person hastete unbeirrt weiter in Richtung des Cradle Tower, wo sich der private Club der Beefeater befand.
    John kam zum Schluss, dass er sich getäuscht hatte und setzte seinen Weg nach rechts zur Wachstube fort. Dort empfing ihn David Adams genervt.
    „Mackenzie, es wäre dein Job gewesen, die Besuchergruppe rauszulassen. Zu allem Überfluss hab ich mich jetzt auch noch verzählt. Von den dreiundvierzig Leuten, die ich zur Schlüsselzeremonie eingelassen habe, sind sechs noch auf Einladung von Campbell im Club, also müssten siebenunddreißig hier sein. Aber es sind nur sechsunddreißig da. Conners ist jetzt mit den Leuten im Vorraum und kontrolliert noch mal.“
    „Verdammt, es sind wirklich nur sechsunddreißig, Adams“, platzte Conners herein. „Das gibt’s doch gar nicht, es muss noch einer drin sein.“ Adams funkelte John an. „Wenn du pünktlich gekommen wärst, hätte ich jetzt nicht diesen Mist an der Backe.“ Er riss den Hörer vom Diensttelefon.
    „Sir, wir haben hier ein Problem. Einer der Zuschauer der Schlüsselzeremonie muss sich noch auf dem Gelände befinden – “ Weiter kam er nicht. Was aus dem Hörer drang, klang für seine Kollegen wie wütendes Gebell.
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