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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel
Autoren: Felix Huby
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Pflichterfüllung die angenehmste Seite abzugewinnen. Er wird sich die Schmiedinger später noch einmal vornehmen - allein.
    Klingenbergstraße 17. Das Haus steht an einer der vielen Treppen in Stuttgart. Mit dem Wagen ist da nicht ranzukommen. Bienzle muß sich entscheiden, ob er oben oder unten an der Treppe parkt. Natürlich entschließt er sich für oben. Hätte ich die Stufen von unten erstiegen, wären das bestimmt ein paar Kalorien gewesen, denkt er, aber dann wäre ich ziemlich atemlos bei der Schmiedinger angekommen... Der Gedanke war ihm unangenehm.
    »Darf ich reinkommen?« fragt er die junge Frau.
    »Bitte«, sagt sie.
    Sie trägt einen bequemen türkisfarbenen gestrickten Hausanzug. Achtundzwanzig, schätzt Bienzle; höchstens dreißig... Die Wohnung ist klein, aber originell eingerichtet. Die Stereoanlage gibt die Originalmusik aus dem ›Clou‹ wieder. Bienzle pfeift ein bißchen mit. Das Haus ist eng an den Berg gebaut. Am Eingang hatte er ein paar Stufen bis zur Tür hinaufklettern müssen. Hier in ihrer Wohnung, auf der anderen Seite des Hauses, steigt die Böschung vom Fensterbrett an steil nach oben, bis zu einem schmalen Kamm, auf dem ein Spazierweg entlangführt.
    »Haben Sie hier auch manchmal Sonne?« fragt er.
    »Nein, nie. Aber es macht mir nichts aus. Ich bin ja nur abends da, und am Wochenende fahr ich meistens weg.«
    Bienzle setzt sich in einen Safarisessel und schaut auf ein schmales hohes Poster, von dem ihn eine Katze anstarrt. Sekunden später springt ihr Ebenbild auf seinen Schoß. Bienzle krault das Tier und überlegt, wie wohl Hanna in einem solchen gestrickten Hosenanzug aussehen würde. Er schüttelt sich ein wenig.
    »Ist Ihnen nicht gut?« fragt seine Gastgeberin.
    »Nicht besonders«, murmelt er und weiß nicht einmal, ob er recht hat. Dann sagt er unvermittelt: »Sie wissen mehr, als Sie mir heute vormittag gesagt haben.« Und zu seinem Erstaunen sagt sie:
    »Viel mehr. Sehr viel mehr, und wenn Sie nicht zu mir gekommen wären, hätte ich Sie aufgesucht... Ich habe schon vor einigen Wochen angefangen, mir Gedanken zu machen. Da kamen gewisse Leute, die sich immer vorher angemeldet hatten, telefonisch, meine ich, bei mir... Die nannten sich Max oder Philipp oder Axel - nie ein Nachname oder so. Die gaben mir eine Zeit an, und der Chef schickte mich jedesmal weg, ehe die Leute eintrafen. Einmal bin ich aber nur zur Toilette gegangen und wollte dann noch mal zurück in mein Zimmer. Da merkte ich, daß die Gegensprechanlage noch eingeschaltet war. Ich weiß nicht, warum, auf jeden Fall hörte ich, daß einer der Besucher, an diesem Tag hatten sich einer namens Max und einer namens Willi angemeldet, dem Chef drohte. Genau weiß ich nicht mehr, was sie sagten, aber irgend etwas mit reinlegen, und entweder er spielt mit, oder er muß die Konsequenzen tragen... So ähnlich.« Sie lächelt. »Ich bin neugierig, das gebe ich zu, aber...«
    Den Schuß und das Fensterklirren hört Bienzle gleichzeitig, Bruchteile von Sekunden später Hannelore Schmiedingers Schrei. Die Katze stößt ihre Krallen in seinen Schenkel; er springt auf und rennt mit dem beißenden und schreienden Vieh am Bein zum Fenster, reißt es auf, krabbelt den Hang hinauf, die Katze läßt nicht los, er hört einen zweiten Schuß pfeifen, wirft sich hin, robbt weiter; ein Motor heult auf - ein Motorrad? Ein Moped? Er richtet sich auf, stolpert, setzt sich auf den Hintern und läßt sich zum Fenster zurückrutschen.
    Hannelore Schmiedinger liegt regungslos am Boden. Ihre schmale Brust hebt und senkt sich kaum merklich. Blut sickert unter dem roten Haar hervor - ein anderes, tieferes Rot. Bienzle greift automatisch zum Telefon, alarmiert die Kollegen, bittet um einen Krankenwagen und wirft sich in den Sessel. Der Kommissar, dem alles wie von selbst gelingt, dem alles zufällt… Der Nesenbach-Maigret hat zugesehen, wie man seine wichtigste Zeugin zu ermorden versuchte... Er starrt die Frau an. Wie schön sie ist, denkt er, und wie zerbrechlich. Sie hätte Schutz gebraucht und Hilfe...
    Draußen flirrt der Sommerabend. Die Katze ist zurückgekommen und sitzt mauzend am offenen Fenster. Bienzle ist wie gelähmt. Er fürchtet sich vor der Apathie, die ihn überfällt. Seine Hände schließen und öffnen sich mechanisch; er merkt es nicht.
    Als die Streife kommt, sitzt er noch immer da wie betäubt. Er läßt die Kollegen die Arbeit machen, geht hinaus, steigt langsam hinauf zum Eugensplatz. Er zählt die Stufen, kommt auf
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