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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel
Autoren: Felix Huby
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sich richtig daran zu erinnern, daß das aus einem der Gedichte ist, die er als Sechzehnjähriger zu Dutzenden geschrieben hat.
    Als der junge Kriminalanwärter Haußmann kommt, ärgert sich Bienzle, denn jetzt muß er aufstehen und weitermachen. »Ein stahlblauer Volvo, S-ZW-984«, sagt er. »Ein Mann drin, Schnauzbart und Schiebermütze. Ich muß wissen, wer er ist und was er da will.«
    »Klar«, sagt der junge Kollege. Er hat seinen Ford hinter Bienzles VW geparkt.
    »Das Auto lassen Sie hier stehen. Das Haus ist ein paar hundert Meter weiter oben. Und Vorsicht - es gibt da einen bissigen Hund.«
    Haußmann nickt und fragt: »Haben Sie hier irgendwo einen Blumenladen gesehen?«
    »Nein, aber wenn Sie Blumen für Ihre Braut kaufen wollen, verwelken die nur, bis Sie das Mädchen treffen.«
    »Ich dachte mehr an einen Trauerstrauß«, sagt der junge Beamte.
    »Pfiffig«, meint Bienzle ohne Begeisterung und denkt dann doch, den werde ich mir mal merken; kreativer junger Beamter… Dann fährt er stadtwärts.
    In der Stadt ist nichts von der frischen Sommerluft zu spüren. Stuttgarts City ist ein Kessel, in dem die Luft stockt, weil besonders begabte Städtebauer Straßen und Häuserblocks im Süden der Stadt so plaziert haben, daß eine Luftzirkulation nicht mehr möglich ist.
    Bienzle betritt das Juweliergeschäft Jarosewitch in der Königstraße durch den Hintereingang. Vorn hängt ein Schild Wegen Trauerfalls geschlossen. Vor der Bürotür bleibt er stehen.
    Drinnen scheint die Trauerfeier im Gang zu sein. Lachende, lärmende Stimmen dringen heraus. Bienzle klingelt. Eine junge Frau öffnet. Sie lacht und trägt ein schwarzes Kleid.
    »Kann man ein bißchen mitfeiern?« fragt Bienzle und zeigt seinen Ausweis.
    Drinnen ist die Luft zum Schneiden. Ein Fünf-Liter-Fäßchen Bier steht auf dem Tisch; Käsestückchen, Brezeln und belegte Brötchen sind wohlgeordnet auf einem Tablett aufgebaut. Außer der Frau, die ihm geöffnet hat, sind noch zwei junge, adrett gekleidete Männer und zwei Mädchen im Zimmer. Die Atmosphäre riecht nach Betriebsfest.
    Die werden trinken bis heute abend, dann - leicht besäuselt - werden sie das Licht nicht anschalten, wenn's dunkel wird, ein wenig tanzen, sich anfassen, girren, lachen, sich sträuben und nachgeben... Wer mit wem? denkt Bienzle und sieht sie der Reihe nach an. »Sie sind alle hier angestellt?« fragt er.
    Die fünf jungen Leute nicken.
    »Kein Grund, außer Stimmung zu kommen«, sagt Bienzle. »Das Leben geht weiter; Spaß muß sein, und wenns bei der Beerdigung ist...«
    Betretene Gesichter.
    »Machen wirs kurz«, sagt Bienzle; »wer ist die Sekretärin vom Herrn Jarosewitch?«
    Die Dame, die ihm geöffnet hat, meldet sich wie eine ertappte Schülerin in der Untertertia.
    »Ich nehme an, Sie wissen auch nicht, was Ihr Chef in Italien vorhatte?«
    Ehe die Frau etwas sagen kann, antwortet einer der jungen Männer schnell: »Er hat uns nie etwas gesagt. Ich habe noch nirgendwo gearbeitet, wo man so wenig über das wußte, was eigentlich im Geschäft los ist. Wir haben verkauft - weiter nichts.«
    Bienzle registriert, wie die andern den vorschnellen Redner erstaunt anschauen. »Dann möchte ich einmal mit Ihnen und dem Fräulein Sekretärin unter sechs Augen reden«, sagt er. »Gibt's hier noch ein anderes Zimmer?«
    »Natürlich - das vom Chef«, sagt die junge Frau.
    »Na denn...« sagt Bienzle. »Die andern können weiterfeiern.« Er geht zum Tisch, nimmt sich das größte Wurstbrötchen und geht durch die gepolsterte Tür an der Stirnseite. Und dann bleibt er erst einmal stehen, um tief einzuatmen.
    Das Büro ist mindestens 80 Quadratmeter groß. Dicke, vermutlich echte Teppiche liegen in Schichten übereinander; an der Wand hängen offensichtlich originale Werke des Malers und Bildhauers, an dessen Villa Bienzle vor einer Stunde vorübergefahren ist. Breite Ledersessel, zu einem Halbkreis gruppiert, stehen um einen acht Quadratmeter großen niedrigen Tisch, dessen Platte aussieht, als sei sie aus Onyx oder sonst etwas Wertvollem. Hinter dem ausladenden Schreibtisch steht ein Recaro-Autorennsitz auf einem Rollengestell. Bienzle zwängt sich hinein und stellt fest, daß er wie angegossen sitzt. Gar nicht einmal unbequem.
    »Herr Jarosewitch hatte es mit der Bandscheibe«, sagt die Sekretärin, »und seit er auf die Idee kam, diesen Spezialsessel anzuschaffen, bekam er viel weniger Schmerzen beim Sitzen.«
    »Gute Idee.« Bienzle schaut die Frau genauer an: rote Haare;
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