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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel
Autoren: Felix Huby
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seit etwa einer Stunde den Schatten eines Mannes eilig hinter den Fenstern hin und her gehen sah. Bienzle nickt, als ob er genau dies erwartet hätte. Dann schickt er die beiden Baden-Badener Beamten weg.
    Jetzt steht er an eine der Tannen gelehnt und verfolgt aufmerksam den Schatten hinter den Fenstern. Wenig später geht das Licht im Treppenhaus an; dann sieht er die schmalen Fenster der Garage aufleuchten. Er schleicht sich auf Zehenspitzen an die Garage heran und versucht einen Blick hineinzutun, aber die Fenster liegen zu hoch. Neben dem Haus findet er einen Hackklotz, den er sehr vorsichtig an die Mauer der Garage heranrollt und aufstellt, wobei er leise flucht, weil ihn die schmerzende Schulter behindert. Leise ächzend klettert er hinauf. Er mag solche Pfadfinderspielchen nicht. Doch nur so kann er erkennen, was in dem kleinen, schmalen Raum vor sich geht.
    Alfons Jarosewitch hat die Kofferraumhaube eines mattschwarzen Porsche geöffnet und packt Koffer hinein. Er macht das mit viel Übersicht und Ruhe und pfeift dabei leise vor sich hin.
    Dann drückt er den Kofferraumdeckel zu und schaut auf die Uhr; Bienzle tut es ihm nach und stellt fest, daß es 23.13 Uhr ist - noch über zweieinhalb Stunden bis zu dem Termin, den Hedwig Jarosewitch mit diesem Mann verabredet hat. Jarosewitch verläßt die Garage; seine Schritte verklingen im Treppenhaus.
    Bienzle steigt von seinem Ausguck herab und versucht vorsichtig, die Tür zur Garage zu öffnen. Sie ist verschlossen.
    Die Nacht ist kalt. Bienzle zittert ein wenig, und vielleicht ist es nicht nur die Kälte, die ihn erschauern läßt. Wieder steht er unter der Tanne und beobachtet das Haus. Eine halbe Stunde lang bewegt sich nichts.
    Bienzle schaut alle fünf Minuten auf die Uhr. Seine Gedanken machen wilde Sprünge. Er denkt daran, daß er wieder einmal seine Frau nicht angerufen hat. Dann erinnert er sich an das Bild in der Klinik, an das schmale lächelnde Gesicht mit den intensiven Augen. Er kann diese Erinnerung anknipsen wie ein Dia im Projektor. Darüber wundert er sich, denn normalerweise sind Erinnerungen an Menschen bei ihm eher ver ­ schwommen. In Gedanken hört er sogar die weiche Altstimme von Hannelore Schmiedinger... Dann denkt er wieder an die Mordsache Jarosewitch.
    Vielleicht, denkt er, bin ich der Lösung des Falles ganz nahe... Nur selten packt ihn in solchen Situationen so etwas wie Jagdfieber; auch heute ist er seltsam unbeteiligt. Und dann kommt jener Zustand, der ihn oft kurz vor der Lösung eines Falles überkommt - die Angst vor dem Mißerfolg; die feste Überzeugung, irgendwo einen Fehler begangen zu haben, der im letzten Moment sämtliche Kalkulationen über den Haufen werfen wird... Es schüttelt ihn wieder, und er zieht sich die Jacke enger um die Schultern.
    Ein Report fällt ihm ein, den er kürzlich irgendwo gelesen hat: In Schleswig-Holstein wurden 1973 rund 9000 Verbrechen untersucht, und bei siebzig Prozent aller Tötungsdelikte bestand eine ausgesprochene Täter-Opfer-Beziehung. Umgebracht wurden Ehemänner und Geliebte, Kinder und Eltern oder andere Verwandte, Hausgenossen und Arbeitskollegen... Drei amerikanische Analysen, die im gleichen Bericht erwähnt wurden, sprachen davon, daß die Opfer oft Menschen sind, die zum Getötet werden neigen. Ein Satz daraus hat sich in seinem Kopf festgesetzt. Man kann davon sprechen, daß häufig zwei potentielle Täter in einer Tötungssituation zusammenkommen und daß es nur dem Zufall überlassen bleibt, wer von den beiden Täter oder Opfer wird... Manche Opfer nehmen manchem Täter einen Teil des Schuldigwerdens ab.
    Unten im Tal schlägt es Mitternacht. Die Turmuhren sind sich nicht ganz einig; zwei hinken hinterdrein, und Bienzle ertappt sich bei der Überlegung, wer hier wohl nachgeht, die Katholiken oder die Protestanten... Da geht das Licht im Treppenhaus wieder an.
    Bienzle pirscht sich an seinen Beobachtungsposten heran. Er steht auf dem Holzklotz, noch ehe Jarosewitch die Garage betritt. Und dann bekommt er Grund, sich zu wundern.
    Jarosewitch geht zur Garagentür, öffnet sie, geht zum Wagen zurück, macht die Tür auf und löst die Handbremse. Das Auto rollt, von dem Mann leicht angeschoben, drei Meter vor; dann zieht Jarosewitch die Bremse wieder an. Er geht hinter das Auto und nimmt zwei breite Bretter von der Abdeckung der Arbeitsgrube heraus, die in dem Garagenboden eingebaut ist. Behend klettert er über ein paar Eisensprossen hinunter; dann kommt eine Kiste zum
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