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Tod im Pfarrhaus

Tod im Pfarrhaus

Titel: Tod im Pfarrhaus
Autoren: Helene Tursten
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hastige Röte auf seinem Hals und seinen runden Wangen breit machte.
    »Hier entscheide immer noch ich, was angebracht ist oder nicht«, bellte er gereizt.
    Demonstrativ wandte er sich ab und schaute durchs Seitenfenster. Irene verfluchte innerlich ihr loses Mundwerk. Jetzt war er sauer und würde kein Wort mehr sagen.
    Das Schweigen hielt an. Nur das leise Geräusch der Scheibenwischer war zu hören. Es sah nicht so aus, als wolle der Regen, der in der Nacht begonnen hatte, bald schwächer werden. Schließlich meinte Irene:
    »Weißt du, wo wir hinmüssen?«
    »Ja. Bieg Richtung Hällingsjö ab. Nach ein paar Kilometern steht auf einem Schild ›Norssjön‹. Da biegst du wieder ab, und dann zeige ich es dir.«
    »Wieso kennst du den Weg so gut?«
    »Ich war dort mal auf einem Krebsfest.«
    »Bei dem Lehrer?«, fragte Irene erstaunt.
    »Nein. Bei seinen Eltern.«
    Sie hatte geahnt, dass irgendetwas nicht stimmte. Jetzt wusste sie es. Warum auch immer ihr Chef sich so seltsam benahm, eins war sicher: Er war selbst irgendwie in die Sache verstrickt.
    Auf einem Krebsfest bei den Eltern … Plötzlich tauchten sogar Freunde des Kommissars auf! Er hatte also ein Privatleben und besuchte sogar Feste. Alle Achtung! Falls es nicht sogar Verwandtschaft war. Irene beschloss, nachzuhaken.
    »Dann kennst du den Lehrer also überhaupt nicht?«, fuhr sie fort.
    »Nein. Den habe ich nie getroffen. Nur seine Schwester.«
    »Ist sie ebenfalls Lehrerin?«
    »Weiß ich nicht. Damals war sie noch ganz klein.«
    Er holte tief Luft und sah Irene an.
    »Ich weiß, worauf du hinauswillst. Das Ganze ist siebzehn Jahre her. Ich war frisch geschieden, und mein Cousin fand, dass ich etwas unter die Leute kommen müsse. So bin ich auf dieses Krebsfest geraten. Es sind Bekannte von Georg und Bettan.«
    Sie schwiegen eine Weile, und Irene dachte nach. Dieser unerwartete Ausflug weckte ihre kriminalistischen Instinkte. Aber es war weniger die Sorge um das Schicksal des Lehrers, die sie wachriefen, sondern eher die Neugier auf das Privatleben des Kommissars. Jetzt kannten sie sich schon so lange, und sie hatte nicht einmal gewusst, dass er überhaupt über ein solches verfügte.
    »Hast du sie jemals wiedergesehen?«, fragte sie.
    »Nein.«
    Offensichtlich war man sich nicht sonderlich sympathisch gewesen.
    »Was machen die Eltern dieses Lehrers?«
    »Der Vater ist Pfarrer. Sie ist wahrscheinlich Hausfrau. Pfarrfrauen haben wohl zu Hause mehr als genug zu tun. Nach dem Gottesdienst den Kaffee kochen und so«, antwortete Andersson vage.
    Irene beschloss, weiterzubohren.
    »Wie war das Fest? Ich meine … bei einem Pfarrer! Auf Krebsfesten wird sonst schließlich immer eine ganze Menge getrunken.«
    Zum ersten Mal während der ganzen Fahrt verzog der Kommissar den Mund zu einem Lächeln.
    »Na, damals wurde auch eine ganze Menge gebechert! Es endete damit, dass der Pfarrer vollkommen betrunken in der Hollywoodschaukel lag. Seine Frau hatte schon Stunden vorher aufgegeben und sich im Haus schlafen gelegt. Sie schien überhaupt nichts zu vertragen. Wir anderen hatten auch ganz schön gebechert.«
    »Waren viele Gäste da?«
    »Neun, nein, zehn mit mir. Hier musst du abbiegen.«
    Er deutete auf das Schild nach Hällingsjö. Irene bog ab, und Andersson lotste sie sofort nach links.
    »Fahr etwa zwei Kilometer geradeaus, dann kommen wir zum Norssjön«, sagte er.
    Irene war automatisch weitergefahren, während ihr Gehirn die Informationen, die sie bekommen hatte, zu verarbeiten suchte.
    »Ist das Sommerhaus groß?«, fragte sie.
    »Nein. Normaler Durchschnitt. Georg und Bettan hatten ihren Wohnwagen dabei. In dem schliefen wir. Bettan ist Georgs Frau. Sie ist Lehrerin und unterrichtet an der Schule, an der Georg Rektor ist. Vermutlich war sie es, die fand, dass ich auf das Fest mitgehen sollte. Damals versuchte sie mich immer mit lauter langweiligen Kolleginnen zu verkuppeln.«
    »Ist es ihr denn auf dem Fest geglückt?«, erkundigte sich Irene neugierig.
    Andersson kicherte nur leise.
    Sie schwiegen, bis die Abzweigung zum Norssjön auftauchte. Der Wald stand dicht zu beiden Seiten des schmalen asphaltierten Weges. Ab und zu tauchte eine kleine Lichtung mit einem einzelnen Haus auf, oder eine schmale Schotterstraße verschwand in der dichten Vegetation.
    »Langsam. Hier muss es irgendwo sein«, sagte Andersson plötzlich.
    Irene fand, dass das Gehölz um sie herum überall gleich aussah. Dass sich Andersson nach so vielen Jahren immer noch zurechtfand,
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