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Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi

Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi

Titel: Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
Autoren: emons Verlag
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fast
geistesabwesend. Dann faltete er leicht die Hände. Christoph sah an den weiß
hervortretenden Knöcheln, dass der Arzt die Hände kräftig gegeneinanderdrückte.
Auch der schmale Mund, als er die Lippen zusammenpresste, zeugte von der
inneren Anspannung des Mediziners. »Ohne Zustimmung der Patientin kann ich
keine weiteren medizinischen Erklärungen abgeben.«
    »Weist das Opfer noch weitere Merkmale einer Gewaltanwendung auf?
Hämatome? Kratzspuren? Hautabschürfungen?«
    Dr. Neubürger sah Christoph durchdringend an. »Davon können Sie
ausgehen«, sagte er ausweichend. »Wir haben mit Zustimmung der Patientin Fotos
gemacht. Außerdem habe ich einen Abstrich vorgenommen und sichergestellt.
Natürlich liegt es im Ermessen der Patientin, ob Sie diesen für die
Beweissicherung verwerten dürfen.«
    Im Stillen zollte Christoph dem Arzt Respekt. Er hatte an vieles
gedacht, was der Polizei bei der Suche nach dem Täter behilflich sein würde,
ohne dabei seine ärztliche Schweigepflicht zu verletzen. Das war ein
vorbildliches Vorgehen.
    »Können Sie uns Informationen zum Tathergang geben?«, fragte
Christoph.
    Der Arzt schüttelte energisch den Kopf. »Dazu haben wir die
Patientin nicht befragt. Das ist Ihre Aufgabe.« Dabei wies er mit seiner gepflegten
schlanken Hand auf Christoph. »Uns interessieren ausschließlich die
medizinischen Aspekte.«
    »Wird das Opfer psychologisch betreut?«, fragte Christoph.
    »Nur im Rahmen des Zuspruchs, der uns möglich ist«, sagte
Dr. Neubürger. »Wir haben uns primär um die sichtbaren Verletzungen
gekümmert.« Er legte die flache Hand aufs Herz. »Wie es hier drinnen
aussieht … Da gibt es multiple Verletzungen. Mit Sicherheit. Die werden
ganz schwierig zu heilen sein und Narben für das ganze Leben hinterlassen. Das
ist die große Schweinerei bei solchen Taten.«
    Obwohl Dr. Neubürger sich während des ganzen Gesprächs bemüht
hatte, nüchtern Fakten aufzuzählen, und stets von der »Patientin« sprach,
während Christoph den Ausdruck »Opfer« verwandte, konnte er seine emotionale
Anteilnahme am Los der Frau nicht verbergen. Christoph hielt den Mann für einen
außergewöhnlichen Arzt.
    »Können wir mit dem Opfer sprechen?«, fragte er.
    »Ich habe Bedenken angemeldet«, erklärte Dr. Neubürger. »Aber
die Patientin hat sich wider meine Empfehlung bereit erklärt, kurz mit Ihnen zu
sprechen. Kurz! «, fügte er mit Nachdruck an. Dann sah
er Hilke Hauck an, die schweigend dem Gespräch gefolgt war. »Ihre Kollegin wird
mit der Patientin sprechen. Sie nicht. Das kann ich nicht zulassen.« Der Arzt
hatte deutlich gemacht, dass dies eine endgültige Entscheidung war.
    »Kommen Sie«, forderte er die beiden Polizisten auf und verließ das
Arztzimmer.
    »Das Opfer ist stationär aufgenommen worden?«, fragte Christoph, als
der Arzt sie über den Flur führte, von dem zahlreiche Bettenzimmer abgingen. Es
herrschte die auf gesunde Menschen bedrückend wirkende Krankenhausatmosphäre:
die breiten Türen mit dem metallbeschlagenen unteren Rand, die Lichtanzeige
über den Türrahmen, die bei Notrufen aufleuchtete, die eintönig gestrichenen
Wände und die Rollwagen mit dem abgeräumten Frühstücksgeschirr, Handtüchern,
Bettwäsche und anderen Utensilien, die zum Krankenhausbetrieb gehörten.
Dazwischen huschte wie emsige Arbeitsbienen das Pflegepersonal einher, während
die Patientinnen entweder durch den Bademantel oder den langsamen Gang
erkenntlich waren. »Teeküche«, »Dienstraum« und »Toilette für Patienten« war an
einigen Türen angeschlagen.
    Dr. Neubürger hielt vor einer Zimmertür. »Warten Sie hier«,
wies der Arzt Christoph an, klopfte kurz, aber energisch an die Tür und
verschwand, gefolgt von Hilke, im Raum. Der kurze Moment hatte gereicht, um
einen Schwall typischer Krankenhausluft aus dem Zimmer auf den Flur strömen zu
lassen.
    Kurz darauf wurde die Tür erneut geöffnet, und ein schlaksiger
junger Mann mit schütterem blonden Haar trat auf den Flur und sah sich suchend
um.
    »Moin«, sagte Christoph. »Gehören Sie dazu?«
    »Wie, dazu?« Der Mann in schwarzer Jeans und einem dünnen gelben
Pullover über dem Poloshirt sah übernächtigt aus. Dunkle Ringe lagen unter den
Augen. Er war blass, und seine Hände zitterten leicht. Seine Stimme war voller
Aggression.
    »Johannes, Kripo Husum«, stellte sich Christoph vor.
    »Ja«, sagte er knapp und zuckte nervös mit den Augenlidern.
    »Sie sind der Lebenspartner?«, riet Christoph und erinnerte
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