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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan
Autoren: Colin Dexter
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zu
betreiben. Warum erst jetzt, mögen Sie fragen... Die Frau leidet, wie ich
erfuhr, seit drei Jahren an Gebärmutterkrebs. Sie hatte gerade die zweite
massive Chemotherapie hinter sich und war entschlossen, sich dieser Folter
nicht ein drittes Mal zu unterziehen, woraufhin ihr die Ärzte allenfalls noch
ein halbes Jahr gaben. So kamen sie denn hierher, um den Mörder ihrer Tochter
zu sehen. Und sollte sich herausstellen, daß er es nicht wert war zu leben,
dann, so schworen sie sich, würde er sterben. Sie sahen ihn nur dieses eine Mal
— am Abend vor seinem Tod — und fanden einen großmäuligen Weiberhelden, einen
arroganten, rücksichtslosen Menschen, dem nun, wie Philippa Mayos Mutter, nicht
mehr viel Zeit zum Leben blieb. Jetzt endlich war mir die Verbindung zwischen
den beiden Verbrechen und das Motiv klar, und Verbindung und Motiv fügten sich
zu einem Ganzen — dem unversöhnlichen Haß eines Paares auf jenen Mann, der ihre
Tochter umgebracht hatte.
    Auf Theodore Kemp.
    Ich spreche von einem Paar,
weil ich zu der Ansicht gelangte, daß der Mord an Kemp nicht die Tat eines
einzelnen gewesen sein konnte. Theoretisch konnten es zwei beliebige Mitglieder
aus Ihrer Gruppe gewesen sein, wir mußten deshalb so viel wie möglich über Sie
alle in Erfahrung bringen. Bei der Anmeldung im Randolph haben Sie einen
Fragebogen ausgefüllt, auf dem Nationalität, Nummer und Ausstellungsort des
Passes, ständige Heimatanschrift und so weiter angegeben werden mußten.
Bekanntlich hatte ich aber außerdem Mr. Ashenden gebeten, die Reisedokumente
selbst einzusammeln. Mein Sergeant [Lewis wurde rot] überprüfte die Angaben und
stellte fest, daß zwei von Ihnen im gleichen Block einer Seniorensiedlung
wohnten. Zwei, die nicht als Mann und Frau auf der Liste eingetragen waren, die
es vorzogen, sich auf die Lauer zu legen, abzuwarten, die optimieren>, wie Sie in Amerika sagen. Und eine solche Chance bot sich durch
Eddie Stratton.
    Stratton war an dem Nachmittag,
an dem Kemp starb, tatsächlich in Didcot, was er — unter anderem auch durch ein
Foto — zweifelsfrei beweisen konnte. Und das verleitete uns — mich — dazu, auch
seinen harmlosen Angaben über die Rückfahrt nach Oxford Glauben zu schenken.
Diese Angaben aber entsprachen nicht der Wahrheit. Geschickt und scheinbar ganz
unwissentlich verschaffte er einem Mann, den er angeblich im Zug gesehen hatte,
ein hieb- und stichfestes Alibi. Einem Mann, dem er sehr viel verdankte. In
Wirklichkeit aber, meine Damen und Herren, hat er diesen Mann gar nicht
gesehen, denn er saß an jenem Nachmittag nicht im Zug, sondern war in Oxford,
wo er Dr. Kemp ermordete.»
    Die letzten Worte verloren sich
in der atemlosen Stille des erstickend heißen Saales. Und dann lächelte Morse
plötzlich ein wenig und sagte leise:
    «Hören Sie mich da hinten, Mr.
Aldrich?»
    «Bitte?»
    «Wäre es nicht besser, wenn
Sie...» Morse deutete mit ausgestreckter Hand einladend auf die vorderen
Sitzreihen.
    Aldrich kam zögernd und
deutlich verwundert durch den Mittelgang nach vorn. Janet Roscoe drehte sich
erwartungsvoll zu ihm und zeigte auf den Platz neben sich, Aldrich aber nahm, ihre
Aufforderung geflissentlich übersehend, auf einem der freien Stühle direkt
hinter ihr Platz.
    «Ja, wie gesagt», fuhr Morse
fort, «der Mann, den Stratton angeblich gesehen hatte, war gar nicht im Zug.
Mir sagte er, daß er in London gewesen sei, um nach seiner Tochter zu suchen,
aber er hatte überhaupt nur eine Tochter gehabt — und die ist tot.»
    Obwohl die Zuhörer gierig an
den Lippen des Chief Inspectors hingen, schien kaum einer so recht begriffen zu
haben, was dieser Satz bedeutete.
    «Mit Namen», fuhr Morse in
plötzlich leichterem Ton fort, «hat es eine besondere Bewandtnis. Manche Leute
können den eigenen Namen nicht leiden, anderen wiederum liegt sehr viel daran,
ihren Namen fortbestehen zu lassen. Nehmen wir an, Mr. und Mrs. Brown — Howard
und Shirley, nicht wahr — wollten ihrem Haus einen Namen geben. Sie könnten
dafür ihre Namen jeweils zur Hälfte einbringen. W-A-R-D von seinem und L-E-Y
von ihrem Vornamen etwa. Wardley — kein schlechter Name für ein Haus, nicht
wahr?»
    «Hey, das ist ja genau —» setzte
Shirley an, aber Howard legte ihr eine Hand auf den Arm, und sie schwieg
verlegen.
    «Ein Nachname läßt sich
schlechter für die Nachwelt bewahren, jedenfalls bei einer Tochter, denn
Töchter pflegen zu heiraten. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß sie
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