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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan
Autoren: Colin Dexter
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den
Wolvercote-Dorn abgelegt. Nicht er hat das Kleinod gestohlen und Dr. Kemp
umgebracht, trotzdem sehe ich dem nächsten Gespräch mit Mr. Stratton gespannt
entgegen, denn er hat sich bisher standhaft geweigert, mir den Namen des
Mörders zu nennen.»
     
     
    Im Trout Inn saßen die
Froschmänner vor dem flackernden Kaminfeuer der Bar. Die Wirtin, eine
attraktive, vollbusige Mittvierzigerin, hatte jedem einen gehäuften Teller
Chili con carne gebracht und eine gut gekühlte Halbe Lager zum Herunterspülen.
Da die vier Taucher Morse nicht persönlich kannten, ahnten sie nicht, wie sehr
er dieses Getränk mißbilligt hätte. Alle vier aber wußten, daß sie in seinem
Auftrag arbeiteten, und jeder einzelne hoffte, das Kleinod selbst zu finden, um
von dem großen Mann eine Anerkennung, womöglich ein Wort des Dankes zu hören.
    Doch noch war es nicht soweit.
Bisher hatten sie aus dem Fluß lediglich ein Kinderfahrrad gefischt, ein altes
Dartbrett und etwas, das wie ein ausgedientes Staubsaugerteil aussah.
     
     
    So manches Mal hatte Eddie
Stratton beim Fliegen Herzklopfen bekommen, wenn zum Auftakt einer
Lautsprecherdurchsage das unüberhörbare Dingdong in der Kabine ertönte, und
dann hatte er oft gedacht, daß solche Durchsagen außer in ausgesprochenen
Notfällen international verboten werden müßten. Wen interessierte es schon, wie
der Flugkapitän hieß oder was für Probleme er hatte. Der Typ sollte sich lieber
um seine Instrumente kümmern, als den Leuten zu erzählen, daß man im Augenblick
einen ganz wunderbaren Blick auf den Atlantik hatte. Keine Ansagen, kein
Geschwätz — das war es, was die Leute wollten. Jetzt aber, zehn Minuten vor dem
Start, faßte Stratton die Möglichkeit einer Flugzeugkatastrophe seltsam
abgeklärt ins Auge. Vielleicht sogar ein willkommener Ausweg? Ach nein, das
denn doch nicht. Schön, er würde erneut mit Morse sprechen. Aber wer Dr. Kemp
ermordet hatte, das würde Morse nie erfahren. Jedenfalls nicht von ihm.
     
     
     

56
     
    Und
da nun näher kam das stolze Schiff,
    Da’s
immer größer ward, ganz prächtig anzusehn,
    Da
sah man in der Schattenferne auch
    Rasch
wachsend, groß den Eisberg stehn.
    (Thomas
Hardy, «The Convergence of the Twain»)
     
    Daß er in der Berichterstattung
ebenfalls lobend erwähnt worden war, hatte Sergeant Lewis dankbar vermerkt.
Jetzt konnte er auch sein früheres Urteil über die rhetorischen Fähigkeiten
seines Vorgesetzten zum Positiven hin revidieren. Obgleich er inzwischen
umfassend im Bilde war, hatte er nichts dagegen, sich die Erläuterungen des
Chief Inspector vor einem anderen Publikum noch einmal anzuhören. In der Schule
hatte Lewis in keinem Fach überdurchschnittliche Leistungen erzielt, hatte sich
aber manchmal gedacht, daß sein Abstand zu den Klassenbesten nicht gar so groß
gewesen wäre, wenn die Lehrer sich nur dazu bereit gefunden hätten, einen Punkt
ein zweites oder sogar ein drittes Mal zu erklären. Denn wenn Lewis einen
Vorschlag, einen Gedanken, eine Hypothese oder Theorie erst einmal voll erfaßt
hatte, sah er ihre Bedeutung, ihre Konsequenzen fast ebenso klar wie Morse
selbst. Nur mit den ersten Schritten hatte Lewis immer Probleme, während Morse
stets schon eine Antwort parat zu haben schien, ehe er die Prüfungsfrage
gelesen hatte. Das war eine der Eigenschaften, die er an seinem Vorgesetzten am
meisten bewunderte — die Fähigkeit, fast vom Start weg in Führung zu gehen,
auch wenn er dabei in seinem Eifer hin und wieder auf die falsche Rennbahn
geriet. Am meisten aber imponierte es Lewis, daß Morse ihm offenbar nicht nur
zutraute, jederzeit mit ihm Schritt zu halten, sondern Dinge zu entdecken, die
Morse selbst übersehen hatte, während sie Seite an Seite auf das Ziel
zugaloppierten. Natürlich war das Unsinn, aber Lewis hoffte inständig, daß
Morse diese Illusion noch lange erhalten blieb.
     
    Etwas pedantisch in der
Diktion, dachte Dr. Moule, aber er redet in richtigen Sätzen, was heutzutage
selbst bei einem Pfarrer ungewöhnlich ist — von Kriminalbeamten ganz zu
schweigen. Und wie wohltuend, daß er beim Sprechen nicht mit dem Kleingeld in
der Hosentasche klimpert. Er erinnerte sie an ihren Lateinlehrer, für den sie
regelrecht geschwärmt hatte. Ob ihr das bei diesem Mann auch so gehen könnte?
Ein bißchen zu gut gepolstert um den Bauch herum. Zuviel Alkohol? Er sah müde
aus, vielleicht hatten ihn seine Ermittlungen die ganze Nacht wachgehalten. Auf
so einen, dachte sie, könntest du dich
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