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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan
Autoren: Colin Dexter
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Handtasche lassen sollte, doch war das im Grunde genommen ganz unwichtig.
Wem hätte es geschadet, wenn man die Tasche irgendwann in einer Mülltonne
gefunden hätte? Wichtig war nur, das Kleinod wegzuschaffen — nicht nur, weil
die Auszahlung der Versicherungssumme nicht gefährdet werden durfte, sondern
weil es noch andere Leute gab, die ganz scharf darauf waren, das gute Stück
nicht Dr. Kemp in die Hände fallen zu lassen.
    Und dann mußte diese Laura
alles vermasseln. Legt sich einfach hin und stirbt!
    Wohlgemerkt — mit diesem ersten
Todesfall hatte er, Stratton, nichts zu tun gehabt. Und mit dem zweiten? Schön,
da lag der Fall anders, aber freiwillig würde er niemandem die ganze Wahrheit
darüber sagen, nicht mal diesem supergescheiten Chief Inspector Morse.
    Obgleich er vor dem gehörigen
Respekt hatte.
    Er dachte an die Breitseite,
mit der Morse telefonisch Strattons äußeren Befestigungsring überwunden hatte.
    «Nein, Inspector. Über Kemps
Tod kann ich Ihnen nichts sagen. Gar nichts.»
    «Mich interessiert auch mehr
das Kleinod, Sir.»
    «Ah ja. ,
wie Laura zu sagen pflegte.»
    «Ach hören Sie doch auf...»
    «Wie meinten Sie eben?»
    «Lassen Sie diesen Scheiß, habe
ich gesagt.»
     
     
     

57
     
    Was
ist ein Name? Was uns Rose heißt,
    Wie
es auch hieße, würde lieblich duften.
    ( Shakespeare ,
Romeo und Julia)
     
    Es war ein kühler Vormittag.
Trotzdem hätte manch einer unter den Zuhörern im Beau Nash-Raum es begrüßt,
wenn die Zentralheizung ein paar Grad weniger warm eingestellt gewesen wäre.
Howard Brown wischte sich mit einem großen Taschentuch über die hohe Stirn, und
John Ashenden streifte mit dem Ärmel seines Sportsakkos über die Oberlippe, auf
der kleine Schweißperlen prickelten. Morse fuhr mit dem Zeigefinger an der
Innenseite seines Kragens entlang, der ihm merkwürdig eng vorkam, und fuhr
fort:
    «Ich weiß, wer den
Wolvercote-Dorn gestohlen hat. Ich weiß, wo er ist und bin ganz sicher, daß man
ihn in Kürze wiederfinden wird. Ich weiß auch, wer von den hier Anwesenden Dr.
Kemp umgebracht hat.» Die Stille war so tief, daß Lewis überlegte, ob man ihn
wohl schlucken hörte, während Morse geschlagene dreißig Sekunden lang
schweigend und regungslos dastand und nur die Augen von links nach rechts
wandern ließ. Auch seine Zuhörer regten sich nicht, ja sie wagten nicht einmal
zu husten.
    «Ich hatte gehofft, der oder
die Schuldige würde sich freiwillig melden. Ich sage das, weil Sie
möglicherweise von einigen noch nicht so lange zurückliegenden Fällen in
England gelesen haben, bei denen die Polizei sich — zuweilen mit Recht — Kritik
gefallen lassen mußte. Die Anklage stützte sich dabei auf unbewiesene
Geständnisse, die in dem einen oder anderen Fall unter fragwürdigen Umständen
erzwungen wurden. Vor allem auch deshalb wäre es so viel wünschenswerter, wenn
Kemps Mörder sich hier, vor seinen Bekannten aus der Reisegruppe, zu seiner Tat
bekennen würde...» Wieder sah Morse sich um, allerdings war nicht zu erkennen,
ob der Blick seiner blauen Augen auf einem der Anwesenden länger ruhte als auf
den anderen. «Nein?»
    «Nein?» fragte Morse noch
einmal. «Nun gut, so sei es. Viel bleibt nicht mehr zu sagen. Hätte mein
Sergeant mir nicht auf die Sprünge geholfen, wäre mir die wichtigste Spur
entgangen. Sie fand sich in einem polizeilichen Protokoll über jenen
Verkehrsunfall, bei dem Kemp seine Frau zum Krüppel machte und die Fahrerin des
anderen Wagens tötete, eine fünfunddreißigjährige Frau aus Kalifornien namens
Philippa J. Mayo. Ihr Mann war bei einem Manöverunglück auf der USS South
Dakota ums Leben gekommen. Schlimm für Philippa Mayos Schwiegereltern, nicht
wahr? Immerhin konnten sie sich ein wenig damit trösten, daß er sozusagen für
sein Vaterland gestorben war, im Dienste einer bestimmten Sache — ob gerecht
oder nicht, sei dahingestellt. Was aber empfanden wohl die Eltern von Philippa
bei der Nachricht von ihrem Tod? Vom Tod der einzigen Tochter, des einzigen
Kindes? Ein so unnötiger, sinnloser, tragischer und verwerflicher Tod! Und der
Mann, der sie auf dem Gewissen hatte, war nach allem, was die Eltern über ihn
erfuhren, ein gottloser, selbstsüchtiger Trunkenbold, der seinerseits den Tod
mehr als verdient hatte. Vor allem die Milde des Gerichts bei der
Strafzumessung hat wohl die Eltern empört, und eines Tages reisten sie nach
England, um — nach zwei qualvollen Jahren — Vergangenheitsbewältigung
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