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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan
Autoren: Colin Dexter
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einlassen. Ob er seiner Frau schon mal
untreu gewesen war? Andererseits — welche Frau würde ihren Mann mit einem
derart angegrauten Hemd herumlaufen lassen? Frau Dr. Moule lächelte vor sich
hin, hoffte, daß sie sich den Blicken der strahlendblauen Augen von ihrer
vorteilhaftesten Seite präsentierte und versuchte die Überlegung zu verdrängen,
ob er wohl Löcher in den Socken hatte.
     
    Während die TWA-Tristar sich am
Ende der Startbahn langsam in die Kurve legte, versuchte Lieutenant Al Morrow
den Sicherheitsgurt, der sich um seine Leibesfülle spannte, noch ein, zwei
Zentimeter weiter aus der Halterung zu ziehen. Gleichzeitig löste er die
Handschellen, die ihn mit seinem Mitreisenden verbanden. Morrow hatte viel
Erfahrung mit Straffälligen, dieser Typ aber gehörte entschieden nicht zu der
Kategorie, die als «potentiell gefährlich, besser nicht ansprechen» eingestuft
werden mußte. Okay, aufs Klo würde er mitgehen, ansonsten aber war der Mann
hier auf dem Fensterplatz zwischen Flugzeugrumpf auf der einen Seite und Al
Morrows Fleischbergen auf der anderen gut aufgehoben. Der Lieutenant schlug
seine Lektüre auf — Tips für das Angeln mit der künstlichen Fliege — und
warf, während die Triebwerke aufbrüllten, noch einen raschen Blick auf seinen
Sitznachbarn: Unbewegtes, aber nicht entspanntes Gesicht, die Augen weit
geöffnet, vielleicht ohne etwas wahrzunehmen, die Stirn glatt, aber
angestrengt, als beschäftigten ihn unliebsame Erinnerungen.
    «Wollen Sie was lesen, Kumpel?»
    Stratton schüttelte den Kopf.
    Hab ich mir doch gleich
gedacht, sagte sich der Lieutenant.
     
     
    Unheimlich, wie perfekt die
beiden Projekte in Oxford zur Deckung gekommen waren — ein bißchen so wie bei
dem Eisberg, der wuchs und wuchs, je mehr sich die Titanic ihm näherte.
    Natürlich war es Lauras Schuld.
Die Frau konnte einfach nicht leise sprechen, sie brauchte die doppelte
Lautstärke wie normale Menschen, und ein verschwörerisches Flüstern war bei ihr
das, was andere Leute unter einem normalen Gespräch verstanden. Besonders in
öffentlichen Verkehrsmitteln konnte diese etwas wunderliche, aber durchaus
sympathische alte Schachtel nicht abschätzen, wie weit ihre durchdringende
Stimme trug. Wäre Laura Stratton mit einem Lautstärkeregler ausgestattet
gewesen — Eddie hätte ihn pausenlos leiser stellen müssen. So aber konnte er
seine ihm vor noch nicht allzu langer Zeit Angetraute nur immer wieder fragen,
ob denn alle Welt mitkriegen sollte, was sie gerade bewegte. Na ja, manchmal
war das wohl übertrieben gewesen, fest aber stand, daß jemand ihre Pläne
belauscht oder zumindest einiges davon mitbekommen und gewisse Schlüsse daraus
gezogen hatte. Und das geradezu Umwerfende daran war gewesen, daß dieser Jemand
genausoviel Interesse daran hatte wie Laura — wie er und Laura —, den
Wolvercote-Dorn verschwinden zu lassen.
    An jenem Abend im University
Arms in Cambridge hatten sie sich auf Plan B geeinigt, der so simpel war,
daß er die Bezeichnung Plan kaum verdiente. Laura würde auf der Fahrt nach
Oxford lautstark über ihre Füße jammern (was ihr nicht schwerfiel). Sie würde
sich — auch das kein Kunststück, da sie ja in der zweiten Reihe saß — als erste
an die Rezeption stellen (wahrscheinlich würde diesmal sogar Mrs. Roscoe ihr
den Vortritt lassen), auf dem ihr zugewiesenen Zimmer ihre Handtasche in
Griffnähe hinter die nur angelehnte Tür stellen und ein Bad nehmen, so daß dem
Dieb nur die kinderleichte Aufgabe zufiel, eine Hand durch den Türspalt zu
stecken. Und seine eigene Rolle? Einen großen Bogen um sein Zimmer zu machen.
Die Polizei (um die man leider nicht herumkam) würde sich in erster Linie dafür
interessieren, wem die Versicherungssumme zufiel, und er, Stratton, würde jeden
diesbezüglichen Verdacht weit von sich weisen. Vorsichtshalber hatte er die
Bekanntschaft mit Shirley Brown ein bißchen gepflegt, was ihn keine Überwindung
kostete, da es durchaus auch seinen Neigungen entgegenkam, und geschmeichelt
hatte diese seine Einladung angenommen, einmal mit ihm um den Radcliffe Square
zu schlendern. Bei diesem Rundgang hatten sie ihren Reiseleiter Ashenden
gesehen und waren ihrerseits von Janet Roscoe gesehen worden, die ihre Augen
und Ohren überall hatte und deshalb bei der Gruppe äußerst unbeliebt, aber
hundertprozentig glaubwürdig war. Ein geschickter Schachzug! An dem inzwischen
aufgegebenen Plan A hatte Stratton gestört, daß er nicht gewußt hätte, wo er
die
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