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Tod eines Tenors

Tod eines Tenors

Titel: Tod eines Tenors
Autoren: Rhys Bowen
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wusste, dass er der Einzige war, der einen Schlüssel hatte.
    »Ja, ich bin's, Mrs. Williams.«
    »Diolch am hynny! Gott sei Dank!« Geschäftig kam sie den dunklen Flur entlang und strich sich die Schürze glatt.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Evan.
    »Nur dass ich befürchtete, Sie würden erst nach Hause kommen, wenn Ihr Dinner völlig ausgetrocknet ist.« Mrs. Williams war Anhängerin der alten Tradition der Arbeiterklasse und nannte den Lunch Dinner und das Dinner Supper. »Ich habe Ihnen eine schöne Fischpastete gemacht«, fügte sie hinzu.
    Mrs. Williams beugte sich zum Ofen und zog eine Pastete heraus, die von einer knusprigen Schicht mit Käse überbackener Kartoffeln bedeckt war. Sie duftete wirklich appetitlich. Mrs. Williams lud ihm eine tüchtige Portion auf den Teller. »Essen Sie, es wird Ihnen gut tun«, sagte sie stolz.
    Vorsichtig untersuchte Evan die Pastete mit seiner Gabel. Die untere Hälfte bestand aus festen, weißen Fischstückchen in einer cremigen Sauce, dann folgten eine Lage hart gekochter Eier und die Kartoffelschicht, unten weich und oben knusprig. Gekrönt war das Ganze von einer Käsekruste. Ein Biss genügte, um festzustellen, dass die Pastete genauso köstlich schmeckte wie sie aussah.
    »Sehr gut«, sagte er.
    Mrs. Williams nickte befriedigt. »Das nenne ich ein Essen für einen Mann«, sagte sie. »Gutes, gesundes Essen, damit er was auf die Rippen kriegt.« Und packte ihm nun grüne Stangenbohnen und Kürbisgemüse auf den Teller.
    Evan klagte innerlich, dass noch mehr Fleisch auf den Rippen das Letzte war, was er gebrauchen konnte. Mrs. Williams wohlmeinende Fürsorge begann sich bereits um seine Taille herum abzuzeichnen.

    Er hatte erst einige Bissen genommen, als es an der Haustür klopfte.
    »Wer kann das sein?«, fragte Mrs. Williams ärgerlich.
    »Soll ich nachschauen?« Er stand auf, nur um sofort wieder auf seinen Stuhl gedrückt zu werden.
    »Sie essen zu Ende. Ich gehe«, sagte sie bestimmt.
    »Er ist in der Küche«, hörte er sie sagen, »aber er hat gerade erst angefangen zu essen.«
    Dann ging die Küchentür auf, und Charlie Hopkins kam herein.
    Er war einer der älteren Männer im Dorf, mager, untersetzt und mit schütterem Haar. Er trug stets Stiefel, die ihm ein wenig zu groß zu sein schienen - eine Reminiszenz an die Tage, als er in der Schiefermine gearbeitet hatte. Man hätte ihn für gebrechlich halten können, aber Evan hatte ihn schon Berge hinaufsteigen sehen, als mache er einen Nachmittagsspaziergang im Park.
    »Entschuldige, dass ich dich beim Essen störe, bach Evan«, sagte er.
    »Macht nichts, Charlie. Setz dich und iss mit. Wie du siehst, hat Mrs. Williams wie üblich wieder mal genug für ein ganzes Regiment gekocht.«
    »Oh, nein danke. Ich kann nicht bleiben. Ich muss noch was in Llandudno abliefern«, antwortete Charlie. Er hatte ein kleines Transportunternehmen. »Ich bin amtlich hier.«
    Evans sah ihn an, seine Gabel blieb in der Luft hängen. »Amtlich?« Charlie war Kirchendiener in der Bethel-Kapelle, andere Ämter gab es hier nicht.
    Charlie räusperte sich. »Ich wurde gebeten hierher zu kommen und mit dir in meiner Eigenschaft als Sekretär des Männerchors von Llanfair zu sprechen«, verkündete er wichtig.
    »Ach wirklich? Habt ihr ein Problem mit dem Chor, Charlie?«
    Charlie nickte. »Ein ziemlich großes sogar, wenn du mich fragst. Mit den Baritonen.«
    »Willst du meinen Rat oder polizeiliche Unterstützung?«
    »Sogar dringende Unterstützung. Wir brauchen einen weiteren Bariton«, sagte Charlie unumwunden. »Nächsten Monat ist doch Eisteddfod, und wir klingen schrecklich. Deshalb hat mich Austin-Mostyn gebeten, mit dir zu reden.«
    Mostyn Phillips war der Chorleiter und außerdem Musiklehrer an der Gesamtschule von Caernarfon.
    Er fuhr einen alten Austin Mini, daher der Spitzname.
    »Ich verstehe nicht ganz, warum du zu mir kommst, Charlie ...«
    »Wir haben gehört, dass du eine gute Stimme hast.«
    »Ich? Eine gute Stimme? Wer hat das behauptet?« Evan lachte.
    »Mrs. Williams«, antwortete Charlie, deren Blick suchend. »Sie hat dich in der Badewanne singen hören.«
    »Ich habe Sie wirklich nicht belauscht, Mr. Evans«, sagte Mrs. Williams, die an der Tür stand und zuhörte, entschuldigend. »Ich konnte es einfach nicht verhindern. Und Sie singen so wunderschön.«
    »Ich höre mich vielleicht in einem gekachelten Raum oder nach einem Rugbyspiel ganz nett an.«
    Evan stieß ein verlegenes Lachen aus. »Aber ich
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