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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden
Autoren: Anne Perry
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rumschubsen.« Sie sprach das Wort so gehässig aus, wie er es wohl selbst gesagt hätte. »Aber Mrs. Monk ist eine Dame, und was noch wichtiger ist, ihr Mann war mal 'n Polyp, und jetzt arbeitet er privat, für jeden, der's will. Aber das heißt nicht, dass er nicht an wichtigen Stellen gute Freunde hat.« In ihren Augen flammte Bewunderung und Schadenfreude auf. »Und wenn's sein muss, kann er ganz schön grob sein. Dann täten Sie sich wünschen, Sie wären nie geboren! Fragen Sie ein paar von Ihren Diebesfreunden, ob die William Monk über den Weg laufen möchten. Ha, ich wette, nicht! Machen sich doch schon bei dem Gedanken in die Hosen!«
    Jessop erbleichte, aber er antwortete ihr nicht. Er starrte Hester wütend an. »Warten Sie nur, bis der Vertrag verlängert werden muss, Mrs. Monk! Dann können Sie sich nach was anderem umsehen, und ich werde die Hausbesitzer warnen, was für eine Art Mieterin Sie sind. Und was Mr. Monk angeht …« Diesmal spuckte er die Worte regelrecht aus. »Er kann mit so vielen Polizisten sprechen, wie er will! Auch ich habe Freunde, und die sind nicht alle unbedingt nett!«
    »Na, so was!«, höhnte Nell in gespielter Verwunderung. »Und wir haben gedacht, er meint Seine Majestät!«
    Jessop drehte sich um und machte, nach einem weiteren eisigen Blick auf Hester, die Tür auf und ließ die kalte Luft von dem kopfsteingepflasterten Platz herein, der in der Vorfrühlingsnacht feucht war. Glänzend lag der Tau auf den Steinen, schimmerte unter der Gaslaterne, die ein paar Schritte weiter die Wand des Eckhauses beleuchtete – schmutzig, die Traufe dunkel und tropfend, die Dachrinnen krumm und schief.
    Er ließ die Tür hinter sich offen und ging schnellen Schrittes die Bath Street hinunter Richtung Farringdon Road.
    »Mistkerl!«, schimpfte Nell empört und schaute dann auf ihren Arm. »Sie werden besser«, sagte sie widerwillig.
    »Vielen Dank«, gab Hester mit einem Lächeln zurück.
    Nell grinste. »Sie haben Recht, jawohl! Wenn dieser fette Kerl Ihnen Schwierigkeiten macht, sagen Sie uns Bescheid. Willie schubst mich zwar ein bisschen rum, was nicht recht ist, aber um diesem widerlichen Schwein eins überzubraten, wär er gut zu gebrauchen.«
    »Vielen Dank«, sagte Hester ernst. »Ich werd's mir merken. Möchten Sie noch etwas Tee?«
    »Ja! Und ein Tröpfchen Leben darin.« Nell hielt ihr ihre Tasse hin.
    »Lieber weniger Leben diesmal«, meinte Hester, als Margaret ihr, ein Lächeln verbergend, gehorchte.
    Nun richtete Hester ihre Aufmerksamkeit auf Lizzie, die immer ängstlicher wurde. Ihren gebrochenen Knochen zu richten würde sehr schmerzhaft sein. Auch wenn es seit einigen Jahren Betäubungsmittel gab für schwere Eingriffe wie die Entfernung von Blasensteinen oder einem entzündeten Blinddarm, gab es bei Verletzungen wie diesen und für Menschen, die nicht willens oder nicht in der Lage waren, ein Krankenhaus aufzusuchen, immer noch keine andere Hilfe als eine Portion Alkohol und Kräuter, die das Schmerzempfinden dämpften.
    Um Lizzie, so gut es ging, abzulenken, redete Hester die ganze Zeit mit ihr über alles und nichts – das Wetter, die örtlichen Hausierer und was sie verkauften. Sie arbeitete rasch. Sie war an die schrecklichen Verletzungen auf dem Schlachtfeld gewöhnt, wo es keine Anästhesie und – außer um ein Messer zu säubern – oft nicht einmal Brandy gab. Das Einzige, was sie tun konnte, um Barmherzigkeit walten zu lassen, war, es rasch zu tun. Diesmal war die Haut unverletzt, es war nichts zu sehen außer dem unnatürlichen Winkel und dem Ausdruck der Schmerzen in Lizzies Miene. Hester berührte das Handgelenk leicht und hörte Lizzie aufkeuchen und dann würgen, als die rauen Knochenenden knirschten. Mit einer raschen, entschlossenen Bewegung brachte sie die Enden zusammen und hielt sie, während Margaret, die Zähne zusammenbeißend, das Handgelenk so fest wie möglich verband, ohne dass die Blutzirkulation abgedrückt wurde.
    Lizzie ging es wieder schlechter. Hester reichte ihr den Whiskey und heißes Wasser, diesmal mit einer zusätzlichen Portion Kräutertee. Es war bitter, aber der Alkohol und die Hitze würden ihr Linderung verschaffen, und inzwischen würden die Kräuter ihren Magen beruhigen und sie ein wenig schlafen lassen.
    »Bleiben Sie heute Nacht hier«, redete Hester ihr sanft zu, stand auf und stützte Lizzie, als sich diese unsicher erhob. »Wir müssen darauf achten, dass der Verband hält. Wenn Ihre Hand arg anschwillt, müssen wir
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