Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
der Vertikalen fuhr er, als käme er aus einer anderen Welt, die Zwischenzeit war gigantisch. Der Berg tobte. Doch als er über einen Geländeübergang kam, riss es ihm beide Stöcke ab. Er hatte nur noch die Schlaufen. Er fuhr ohne Stöcke weiter, allein das war eigentlich sensationell.« Maria Buchwieser stockte, und Irmi spürte, dass das alles für sie so präsent war, als sei es gestern gewesen. »Am Ende wurde er Vierter hinter Stenmark, Gros und Frommelt.«
    »Sabotage?«, fragte Irmi nach einer Weile.
    Maria sah sie überrascht an. »Seltsam, dass das Ihr erster Gedanke ist. Na gut, Sie sind Kommissarin. Uns ist das erst später aufgegangen. Ernst hatte die Idee, dass da jemand die Stöcke manipuliert haben könnte. Das wirklich zu beweisen aber war uns nie möglich.«
    »Hatte Kurt denn einen Verdacht?«
    »Nein, der war einfach wie paralysiert. Er war so nah dran gewesen. Er selbst glaubte nicht an Sabotage. Er glaubte nur, dass er wieder einmal Pech gehabt hatte. Ach was: Er wusste, dass er kein Günstling der Götter war. Es war so typisch: Ernst brachte die Sabotage-Idee auf, weil in seinem Weltbild Eigenversagen oder gar Pech nicht vorkamen. Kurt hingegen fügte sich in das Schicksal, mal wieder verloren zu haben. Er war das ja gewohnt. Ich glaube, ihm wäre es sogar lieber gewesen, wenn Ernst mit seinen Verschwörungstheorien aufgehört hätte. Aber dann brachte auch noch jemand den Ausdruck ›DvG Buchwieser‹ auf.«
    »Wofür steht die Abkürzung?«
    »Depp vom Gudiberg, DvG, ganz Garmisch wollte sich ausschütten vor Lachen. Kurt Buchwieser war der DvG. Daran ist er komplett zerbrochen.«
    Irmi überlegte eine Weile. »War das denn so schlimm?«, sagte sie dann. »Ich meine, das war sicher nicht nett, es hört sich an wie so typisches unüberlegtes boarisches Blöd-Daherreden, aber dass man daran gleich zerbricht?«
    »Sie verstehen das nicht ganz. Kurt hatte ein Mal die Chance, aus dem Schatten des Bruders herauszutreten. Er hätte mit dem Feuer spielen können, nicht bloß mit der Asche. Sicher, Sie haben recht. So schlimm war das nicht, und die meisten, die das nachplapperten, waren eher gutmütige Trottel. Jeder mochte Kurt, jeder hätte ihm den Sieg gegönnt. Aber für Kurt hatte dieses Rennen eine überdimensionale Bedeutung gehabt, er hatte alles dort hineinprojiziert. Es war wie ein Omen für ihn.«
    Irmi ließ Maria Buchwieser wieder Zeit. Es hatte den Anschein, als träte sie aus einer Geisterbahn heraus ans Licht und müsste erst einmal erfassen, dass alles gut war. Dass die Helligkeit heilen konnte. Vielleicht.
    »Aber Ernst hatte also eine Sabotagetheorie?«, fragte Irmi schließlich.
    »Ja. Damals habe ich es nur geahnt, heute bin ich mir sicher: Es ging ihm nicht um Kurt, es ging ihm nicht um die Rehabilitation seines Bruders. Es ging um seinen eigenen Nimbus. Die Niederlage seines Bruders kratzte auch an seiner eigenen strahlenden Oberfläche, sie trübte den Glanz. Kurt war ihm letztlich vollkommen egal!«
    »Und wie lautete Ernsts Theorie?«
    »Ach, Ernst war sich sicher, dass es Quirin war. Dass der Quirin die Stöcke angesägt hatte.«
    »Quirin?«, unterbrach Irmi sie.
    »Ja, Quirin Grasegger. Der Kurt hatte ihm angeblich ein Mädchen ausgespannt, wobei das Quatsch war. Der Quirin war sozusagen der zweite Mann hinter Ernst, und um genauso cool zu sein, konsumierte er Mädchen wie andere ihre Socken. Beate Schreiber aber hatte keine Lust darauf und fing stattdessen was mit Kurtl an. Dabei war Kurtl an Beate eigentlich nicht interessiert. Sie hat ihn sich einfach genommen, das war besonders einfach, wenn Kurt betrunken war, und das war er oft. Jedenfalls war der Quirin richtig sauer auf ihn. Es hat sogar auch mal eine Schlägerei im Evergreen gegeben, bei der Quirin dem Kurtl gedroht hat, ihm die Skier abzusägen.«
    »Oh!«, machte Irmi.
    »Ja, aber das war leeres Gerede, wenn Sie mich fragen.«
    »Hätte er denn die Gelegenheit gehabt, an den Stöcken was zu manipulieren?«
    »Ja, genau das war auch das Argument von Ernst. Quirin war als Skiclubmitglied bei den Rutschern dabei.«
    »Rutscher?«
    »Das ist die Freiwilligentruppe, die die Piste präpariert. Heute nennt man so was Volunteers. Er war auch im Startraum oben, das ist ja kein Hochsicherheitstrakt, und 1978 ging es da generell etwas lockerer zu. Er hätte die Gelegenheit gehabt, und ein paar andere auch«, sagte Maria Buchwieser.
    »Aber Ernst hatte sich auf Quirin eingeschossen?«
    »Ja, und in der Rückschau denke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher