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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste
Autoren: Nicola Förg
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im Holz. Halb in Grafenaschau drüben.« Sie hielt das Handy etwas vom Ohr weg, denn der Anrufer brüllte regelrecht hinein.
    »Habt ihr Kathi angerufen?«, erkundigte sie sich. Himmel, war der laut am anderen Ende. »Was? Ach so, die ist in Lähn. Sie kommt aber?«
    Der Anrufer hatte sich anscheinend etwas beruhigt.
    »Ja, ich komm auch, so schnell es halt geht«, versprach sie und beendete das Gespräch.
    Auf das, was sie da eben gehört hatte, konnte sie sich keinen Reim machen. Diesen Sonntag hatte sie sich definitiv anders vorgestellt. Sie hätte zu Hause die Dachsenprügel geschnitten und an der Sonnenseite des Hauses aufgeschichtet. Sie liebte Holz, sie hätte stundenlang Holz aufschichten können, obwohl ihr das Kreuzschmerzen und Schwielen an den Fingern einbrachte, denn Irmi zog nie Arbeitshandschuhe an.
    Anstatt ihre Arbeit zu Ende zu bringen, stellte sie Bulldog und Hänger im Hof ab und tauschte das Fleecehemd gegen eine gefütterte Cordjacke, die sie nachlässig auf das Hausbankerl gepfeffert hatte. Die Jacke hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber sie wollte ja auf keine Schönheitskonkurrenz.
    Sie startete ihr altes Audi Cabrio, auch das eine Art Revoluzzertum: ein Cabrio zu fahren, wenn man auf gar keinen Fall schicke Sonnenbrillentussi war. Wobei eine Sonnenbrille jetzt nicht schlecht gewesen wäre. Irmi blinzelte ins gleißende Licht, als sie auf die Bundestraße bei Eschenlohe abbog.

1
    Brauner Dreck verschmutzte den Parkplatz. Überall rannen kleine Bäche Schmelzwasser dahin, die sich einen Weg zwischen Rollsplitt und letzten Resten von verpapptem Altschnee bahnten. Es war warm, fast schon heiß, in der Sonne hatte es sicher gute fünfzehn Grad, und die Skifahrer, die mit halb offenen Skistiefeln und um den Bauch gewundenen Anoraks unter der Last ihrer Skier schwitzten, wirkten erbärmlich auf Irmi. Was sollte dabei der Spaß sein?, fragte sie sich. Zwei langhaarige Kerle schlenderten oben ohne auf einen VW-Bus zu, mit Skiern so breit wie Schalbretter und so bunt wie Bollywood-Kino.
    Das war definitiv nicht ihre Welt. Irmi war als Kind mal ein bisschen Ski gefahren, aber da hatten die Skier anders ausgesehen, die Bindungen mit Drahtzug waren echte Knochenkiller gewesen, und prompt hatte sie sich auch den Unterschenkel gebrochen. Ski wurde dann nicht mehr gefahren, es war kein Geld da gewesen und keine Zeit, und so richtig traurig war Irmi auch nicht gewesen. Schule, Landwirtschaft, Musikkapelle, Schützenverein – sie hatte das Skifahren nie vermisst.
    Nur auf die blöden Sprüche in der Ausbildung hätte sie verzichten können: Was? Alle Bayern fahren doch Ski! Klar, so wie sie unentwegt Lederhosen tragen und Dirndl. Irmi hatte seit ungefähr fünf Jahren kein Dirndl mehr getragen – was aber auch daran liegen mochte, dass sie denen aus ihrer Jugend um gut drei Kleidergrößen entwachsen war.
    Ein Problem, das ihre Kollegin Kathi ganz sicher nicht kannte. Kathi war schlank, fast schon zu schlank. Ihre Cargo-Hüfthose hing lässig auf den Knochen, der Ansatz des Stringtanga war zu sehen, ein Teil vom Arschgeweih auch. Sie hatte wie so oft ihre langen brünetten Haare nachlässig am Hinterkopf verzwirbelt, was ihre hohe Stirn freigab, die natürlich völlig faltenlos war. Kathi wirkte ein kleines bisschen freakig, sah immer ein paar Jahre jünger aus als die achtundzwanzig, die sie nun mal war. Kathi konnte natürlich Ski fahren, Dirndl trug sie hingegen auch nie. »Wenn sich im dritten Jahrtausend Frauen freiwillig Schürzen umbinden, ist das ja wohl krank«, pflegte sie zu sagen. Solche Sätze machten Irmi immer sprachlos.
    »Servus«, meinte Kathi und kam auf Irmi zugeschlendert, während sie noch schnell ihre Selbstgedrehte in einer Pfütze austrat. »Hast du kapiert, was hier eigentlich los ist?«
    »Nicht wirklich. Ein Geist aus den späten Siebzigern, der irgendwo rumliegt? Christian Neureuther hat zum Kostümball aufgerufen? Aber da ist ja schon der Kollege Sailer, und der redet jetzt mal langsam und verständlich, damit wir Mädels auch kapieren, um was es geht. Gell, Sailer?« Irmi sah ihn aufmunternd an.
    Sailer war nämlich einer, der jeden Satz bedächtig begann, dann immer schneller wurde und das Satzende in einer seltsamen Schnappatmung verschluckte wie ein Goldfisch auf dem Trockenen.
    Sailer gab sich alle Mühe, und so erzählte der erregte Goldfisch dann von einem Toten, der »derschossn« mitten auf der Piste liege. Namentlich auf der Kandahar, und der Mann habe einen
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