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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste
Autoren: Nicola Förg
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ja, ich komm so schnell es geht.«
    Irmi sah sie fragend an.
    Kathis Stimme bebte leicht. »Meine Tochter ist abgehauen und immer noch nicht heimgekommen. Und meine Mutter dreht völlig durch.«
    Das sollte cool klingen, aber Irmi spürte, dass Kathi am Limit war. Wenn das eigene Kind verschwand, verursachte das eine Panik, die klares Denken binnen Sekunden ausschaltete.
    »Fahr heim«, sagte Irmi. »Such sie. Sie ist bestimmt bei einer Freundin. Ich kann auch allein zur Familie von Ernst Buchwieser fahren. Wirklich!«
    »Bestimmt?«, fragte Kathi fast kleinlaut.
    »Ja, sicher. Was du aber machen kannst: Du hast auch daheim über deinen Laptop Zugang zum Polizeicomputer. Recherchier doch mal, was 1978 im Werdenfelser Land so passiert ist. Was Ernst Buchwieser da gemacht hat. Geht das?«
    »Sicher. Danke.« Kathi ging im Eilschritt zu ihrem Auto, sie rannte beinahe. Am Wagen drehte sie sich noch mal um. »Danke!«
    »Passt scho!«, rief ihr Irmi hinterher. Dann wandte sie sich an ihren Kollegen: »Sailer, haben Sie die Adresse von Ernst Buchwieser? Kennen Sie seine Lebensumstände?«
    »Er ist verheiratet mit einer Maria Buchwieser. Keine Kinder.«
    »Gut, danke!«
    Langsam ging Irmi auf ihr Auto zu. Sie riss sich nicht gerade darum, eine Familie über den Tod ihres Angehörigen zu informieren, aber es musste nun mal sein.

2
    Maria Buchwieser wohnte im Husarenweg. Auf dem Weg dahin kam Irmi in der Lazarettstraße an einem kleinen Bauernhof vorbei, vor dem der Misthaufen dampfte. Obwohl sie umgeben war von anderen Landwirten, erschien es ihr immer wieder verwunderlich, dass es zwischen Richard-Strauss-Festival und Weltcup, zwischen Casino und Kongresshaus noch echte Bauern gab. Mitten in Garmisch.
    Das Haus der Buchwiesers war keine Protzburg, aber es lag auf einem großen Grundstück am Abhang des Kramerspitz.
    Auf Irmis Klingeln hin öffnete eine ausgesprochen attraktive Frau.
    »Sind Sie Frau Buchwieser?«, erkundigte sich Irmi.
    Ihr Gegenüber nickte. Maria Buchwieser war Mitte bis Ende vierzig, schätzte Irmi, schlank und etwa einen Meter fünfundsiebzig groß. Ihre Kleidung bestand aus Jeans, Shirt und Weste – bestimmt teure Marken, die sie aber lässig und unaffektiert trug. Sie sah Irmi freundlich und fragend an. Ihr Gesicht war umrahmt von brünetten schulterlangen Haaren. Auffällig waren ihre dunklen Augen mit schier endlosen Wimpern. Die waren natürlich, da war sich Irmi sicher.
    Die Wimpern erinnerten sie an Irmi Zwo. Irmi Zwo war ihre Lieblingskuh, eine mittlerweile ältere Dame, die trockenstand und das Gnadenbrot bekam. Irmi hatte sie seinerzeit als Kalb in Steißlage allein holen müssen, weil die Männer auf irgendeinem Dorffest verschollen gewesen waren. Aber Männer waren ja immer unauffindbar, wenn es drauf ankam. Irmi fand den Vergleich mit einer Kuh keineswegs unpassend: Auch Irmi Zwo war eine elegante Erscheinung, eine Murnau-Werdenfelserin mit Augen zum Drinversinken.
    Als junges Mädchen, in ihren Zwanzigern, war die schöne Maria Buchwieser wahrscheinlich eine Elfe, nein, eine Fee gewesen. Irmi schluckte. Solchen Feen sagte man die Wahrheit noch schwerer.
    »Ich bin Irmi Mangold von der Kriminalpolizei. Darf ich kurz reinkommen?«, fragte sie.
    Maria Buchwieser nickte und ging vor. Sie kamen in einen großen hellen Raum, an dessen Wänden sich Bücherregale bis zur Decke erstreckten. Auf einem hellblauen Teppich standen zwei dunkelblaue Ledersessel – mit Blickrichtung in den Garten. Die Terrassentür stand offen, es roch nach Frühling.
    »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann Ernst tot ist«, sagte Irmi schließlich. »Er wurde erschossen.«
    So, nun war es raus. Irmi sah Maria Buchwieser prü-fend an. Die Reaktionen von Menschen waren nicht vorhersagbar. Nach außen völlig toughe Personen konnten ihrer Erfahrung nach zusammenbrechen und verhuschte Hascherl plötzlich zu übermenschlicher Stärke heranwachsen. Maria Buchwiesers Reaktion allerdings verblüffte Irmi.
    »Dann ist es endlich passiert«, sagte sie in einem Tonfall, der so neutral klang wie die Konservenstimme, die in der Trambahn die nächste Haltestelle ankündigt. Wie eine Stimme im Baumarkt, die erklärt, dass der Markt in zehn Minuten schließen werde. »Wollen Sie einen Cappuccino?«, fragte sie und wies auf den einen Sessel.
    Irmi konnte nur nicken und sank in die Tiefe des Lederfauteuils. Aus der Küche hörte man ein paar zischende Geräusche, wenig später kam Maria Buchwieser mit dickbäuchigen
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