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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste
Autoren: Nicola Förg
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noch in der Ferne, und auf einmal war das Quietschen der Bremsen zu hören, ein Aufröhren des Motors. Der Pick-up war weg.
    »Rechts, rechts!«, brüllte Kathi. »Der Irre fährt zum Plansee!«
    Irmi schlingerte über einen kleinen Parkplatz, hinein in einen Feldweg. »Das packt der Audi nie«, rief sie.
    »Weiter!« Kathi hatte ihr Handy wieder am Ohr. »Er kimmt über die Neidernach. Er kimmt am Plansee aussi, ihr müsst vor eam am Campingplatz Sennalpe sei!«
    Irmi tat ihr Bestes auf dem ausgewaschenen Weg, der beständig anstieg. Ein uraltes Bundesrepublik-Deutschland-Schild begrüßte ein ebenso verbeultes Republik-Österreich-Schild. Man konnte hier fahren, wenn man fahren konnte. Aber ein Audi hatte eben nicht die Bodenfreiheit eines Pick-up.
    Es wurde noch steiler und kurviger. Plötzlich, ganz plötzlich öffnete sich der Wald, und da lag der Plansee. Wäre es eine Wanderung oder eine Mountainbiketour gewesen, dann hätte man nun innegehalten und tief durchgeatmet. Nebelschwaden über dem See, Berge, die sich im Smaragdgrün des Sees spiegeln. Der Plansee, einer der schönsten Alpenseen! Bloß waren sie auf keiner Sightseeing-Tour.
    Irmi schlingerte weiter und musste abrupt abbremsen. Der Pick-up und zwei Fahrzeuge der Gendarmerie versperrten den Weg.
    Kathi sprang aus dem Auto. »Sauber, Burschen!«, meinte sie grinsend.
    »Des kost di a paar Schnapserl, aber den guadn von deiner Mutter!«, entgegnete der Kollege und nickte Irmi zu. »Mir ham ihn.«
    »Danke.« Das war alles, was Irmi im Moment herausbekam. Ihr Herz raste. Die Tiroler hatten Eitzenberger Handschellen angelegt, er stand da wie ein in Fesseln gelegtes Tier mit Bernsteinaugen.
    »Herr Eitzenberger, eigentlich müsste ich Ihnen jetzt Ihre Rechte aufsagen und so weiter. Sie müssen momentan keine Aussage machen.« Sie fixierte ihn. »Aber bitte, warum? Warum, Herr Eitzenberger?«
    »Weil Ernst Buchwieser mit dem Leben anderer Menschen gespielt hat. Er war eine Sau. Er hat meinen Vater auf dem Gewissen.« Er sagte das ganz ruhig.
    »Sie wussten es? Alles?«, fragte Irmi.
    »Ja, alles. Dass Buchwieser meine Mutter immer lächerlich gemacht hat vor seinen sauberen Akademikerfreunden. Dass er so lange provoziert hat, bis mein Vater dieses Rennen mitmachen musste. Dass er ihn gegen die Liftstütze hat fahren lassen. Dass er seine Frau um ihr Leben betrogen hat. Und Hubert um seins. Und das ist nur ein Bruchteil. Ernst Buchwieser, der Gott. Dass ich nicht lache. Er war eine selbstgefällige Sau.«
    »Aber woher wussten Sie das alles? Die anderen haben das dreißig Jahre unter dem Deckel gehalten, nicht mal Maria Buchwieser kennt die ganze Wahrheit.«
    »Hubert hat seinen privaten Laptop im Büro. Er führt Tagebuch. Schon lange. Und die Ereignisse von damals beschäftigen ihn bis heute in seinen Aufzeichnungen. Wenn man Hubert ein bisschen kennt, findet man das Passwort. Er war ein gebrochener Mann. Auch deshalb habe ich geschossen. Hubert ist wie ein Vater für mich. Den anderen hat Buchwieser getötet. Ich wollte nicht, dass mein zweiter Vater sich schuldig macht.«
    Der deutsche Streifenwagen war vorgefahren. Als sie Eitzenberger abführten, musste Irmi wegsehen. Sie heftete ihren Blick auf den See, auf sein mystisches Smaragdgrün.
    Dann straffte sie die Schultern. Sie dankte den Tirolern, nickte Kathi zu, und dann fuhren sie ab. Langsam diesmal, durch Heiterwang kamen sie, an Kathis Heimatort Lähn vorbei.
    Sie schwiegen, es gab Momente im Leben, in denen die Sprache versagte. Und noch immer wusste Irmi nicht, wer dieser Ernst Buchwieser wirklich gewesen war. Die selbstgefällige Sau, der helle Hoffnungsträger für seine Schüler, die einzig wahre Liebe einer Mia J. Jordan? Ein wenig bedauerte sie es, ihn nie kennengelernt zu haben.
    In Garmisch gab es einiges zu tun. Aber vorher wollte Irmi zwei Anrufe tätigen. Sie wollte Maria anrufen und Roswitha. Vor allem Roswitha Eitzenberger. Sie hatte es ihr versprochen.
    Irmi bat Kathi, sie kurz allein zu lassen, um in Ruhe telefonieren zu können.
    »Willst du dir das jetzt echt antun?«, fragte Kathi.
    Irmi nickte. »Kathi, das Leben ist kein Heimatroman und auch kein Ponyhof.«
    »Ich dachte, kein Wunschkonzert«, sagte Kathi müde.
    »Das erst recht nicht.«

Servus
Nachbemerkung und Danksagung
    Servus oder etwa Servas? Griaß eich oder Griaß Enk? Dialekt ist eine identitätsbildende Angelegenheit, in jeder Talschaft anders, schon von Gemeinde zu Gemeinde abweichend. Dialekt ist auch Identität
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