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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr
Autoren: Peter Kersken
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winkte energisch ab. »Wenn wir es hier wirklich mit einem Gewaltverbrechen zu tun haben, dann ist das eine Angelegenheit der Gendarmerie.«
    »Schmitting liegt krank in der Baracke.«
    Overberg nickte. »Ich weiß, Grottkamp, ich weiß. Also müsste ich Landrat Kessler informieren. Und der würde uns vermutlich die Gendarmen aus Beeck und aus Oberhausen auf den Hals schicken. Normalerweise jedenfalls. Aber zurzeit werden nun mal alle Offizianten für die Cholerabekämpfung gebraucht. Nein, Herr Polizeisergeant! In der augenblicklichen Situation würden wir den hochwohlgeborenen Landrat Kessler mit diesem zweifelhaften Mordverdacht nur ganz unnötig belästigen.«
    Grottkamp schätzte seinen Gemeindevorsteher durchaus. Gelegentlich konnte er sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass Overbergs Eitelkeit seinen Weitblick ein wenig trübte. Sein Bestreben, dem hochwohlgeborenen Landrat, dem wohlgeborenen Bürgermeister oder den Herren Direktoren der Hüttengewerkschaft zu gefallen, verleitete ihn hin und wieder zu den falschen Schlussfolgerungen.
    »Herr Vorsteher«, sagte Grottkamp entschieden, »wenn wir die Sache auf sich beruhen lassen, dann läuft womöglich in Sterkrade ein Mörder frei herum.«
    »Wenn wir nicht alle unsere Kraft in die Bekämpfung der Seuche stecken, dann wird die Cholera in den nächsten Wochen Schlimmeres anrichten als alle Mörder im Königreich Preußen zusammen«, entgegnete Overberg.
    »Da haben Sie sicher recht, Herr Gemeindevorsteher«, gab Grottkamp zu. »Andererseits sagen Sie doch selbst, dass es gerade in unsicheren Zeiten unsere Pflicht ist, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Wenn wir jetzt einen Mörder laufen lassen, dann lebt er auch noch unter uns, wenn wir die Cholera längst vergessen haben. Und wenn er dann ein zweites Mal mordet, vielleicht sogar ein drittes und ein viertes Mal, dann ist der Ruf der Gemeinde Sterkrade bei den Obrigkeiten in Duisburg und Düsseldorf, vermutlich auch in Koblenz und Berlin, für alle Zeiten ruiniert.«
    Overberg hatte seinen Platz hinter dem Stehpult wieder verlassen und lief im Zimmer umher.
    »Also gut, Grottkamp«, sagte er nach einer Weile, während er weiter seine Runden drehte. »Dann versuchen Sie in Gottes Namen, Klarheit in diese Angelegenheit zu bringen! Aber Ihre sonstigen Dienstobliegenheiten dürfen keinesfalls vernachlässigt werden.«
    »Werden sie nicht, Herr Vorsteher.«
    »Hören Sie sich ein wenig um! Finden Sie heraus, was dieser Terfurth für ein Kerl war, mit wem er sich in den Schänken abgegeben hat, ob er ein guter Arbeiter war, in welchen Familienverhältnissen er lebte, kurzum, ob irgendjemand einen Grund gehabt hat, ihn ins Jenseits zu befördern.«
    Grottkamp nickte. Dass Terfurths Familienverhältnisse ihm nicht gänzlich unbekannt waren, behielt er für sich. »Genau so werde ich es machen, Herr Vorsteher.«
    »Aber bitte mit Diskretion! Es braucht ja nicht gleich das ganze Dorf von Ihrem Verdacht zu wissen.«
    Grottkamp nickte wieder.
    »Wenn Sie Anhaltspunkte dafür finden, dass Terfurth einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, dann können wir das Landratsamt beziehungsweise die Justiz einschalten. Wenn Ihre Nachforschungen ergebnislos bleiben, dann vergessen wir die Angelegenheit.«
    »Jawohl, Herr Vorsteher.«
    »Das Wichtigste ist der Kampf gegen die Cholera.«
    »Jawohl, Herr Vorsteher.«
    Die Feuchtigkeit war durch Martin Grottkamps Unterkleider bis auf seine Haut gedrungen. Der Branntwein stieg ihm allmählich in den Kopf, wärmte ihn jedoch nicht im Geringsten. Er fühlte sich unbehaglich und fror.
    Overberg lief immer noch in der Amtsstube auf und ab.
    »In Essen ist die Zahl der Choleratoten inzwischen auf über tausend gestiegen«, referierte er. »Wer es sich leisten kann, hat die Stadt verlassen. Auch die Krupps sollen schon geflüchtet sein.«
    »Wer sind die Krupps?«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, ereiferte Overberg sich. »Die Krupps sind in Essen das, was bei uns die Haniels und die Jacobis sind. Haben Sie denn noch nie was von ›Fritz‹ gehört, dem mächtigsten Dampfhammer in Preußen, oder von Alfred Krupps Kanonen?«
    »Doch schon«, knurrte Grottkamp. »Der Name war mir nur gerade entfallen.«
    »Na gut, lassen wir das! Zurzeit sieht es jedenfalls ganz übel aus, bei Krupp und auch anderswo. Mehrere Zechen und Hütten in Essen mussten schon die Arbeit einstellen, weil fast die komplette Belegschaft erkrankt ist.«
    Carl Overberg unterbrach seinen Vortrag, blieb
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