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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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widerwärtigst nach Mensch.«
    Mit einem wütenden Knurren beendete Vespasian seine Suche. Hier war er auch nicht. Und damit hatten sie allesabgesucht. Sie hätten einen Hund von Sylvios Größe längst finden müssen. »Grarr belohnt den, der liefert. Und wir werden nicht liefern. Du weißt, was das bedeutet!«
    Die Schnauze immer noch an der Leiche der Hündin, hörte Commodus seinem Wolfsbruder gar nicht richtig zu. Der sich vor ihm entfaltende Duft war auf eine abstoßende Weise faszinierend. Menschenduft klebte überall an diesem Tier, so intensiv hatte er ihn noch nie gerochen.
    »Wie erklären wir Grarr, dass wir Sylvio nicht gefunden haben?«, fragte Vespasian mit Nachdruck und sprang aus der Kuhle, schubste Commodus fort von der Leiche.
    Dieser schüttelte amüsiert das Haupt und blickte in aller Ruhe auf diesen neu entstandenen Hang frischer, dunkler Erde, gesprenkelt mit Gesteinsbrocken, grau und groß wie Wölfe, die in sich gerollt schliefen.
    »Wir sagen, dass er vollends von den Steinen zermalmt wurde, als sie den Berg herunterstürzten, und dass bereits Würmer und Schaben seine verstreuten Körperreste fressen. Grarr schätzt kein Ungeziefer. Er wird deshalb zufrieden mit uns sein. Wir haben doch die Hündin.« Er packte Cinecitta am Nacken, legte sie Vespasian auf den Rücken und spuckte dann verächtlich aus. »Trag du sie zuerst, ich übernehme, wenn wir am verbrannten Baum sind.« Ich werde es sein, dachte Commodus, der die Leiche vor Grarr ablegt und das Lob erhält.
    Sie nahmen den Weg durch Rimella zum Lager. Es kitzelte die Wölfe fast in den Füßen, dieses einst verbotene Land zu betreten, nun leergefegt von den Feinden, ihren Wagen, ihren Waffen.
    »Es ist unnatürlich still«, sagte Vespasian und rückte näher an Commodus’ Seite. »Im Wald hörst du Vögel, das Rauschen der Blätter, ja selbst die Insekten am Boden. Doch hier ist es wie tot.«
    Ehrfürchtig gingen sie durch Rimella, als schritten sieüber einen Friedhof. Am Dorfplatz sahen sie die anderen Wölfe, acht an der Zahl. Es waren die beiden von Grarr nach Rimella gesandten Trupps, angeführt von Tiberius und Domitian, die Nahrungsmittel finden sollten.
    »Es löst sich auf«, hörten Commodus und Vespasian einen der Wölfe sagen. »Das Dorf löst sich auf, jetzt, wo die Menschen es verlassen haben.«
    Commodus ging näher heran, Vespasian folgte ihm zögerlich. Doch sie blieben auf Abstand, spürten, dass etwas nicht stimmte.
    »Vor zwei Nächten noch! Ich habe es selbst gesehen, bei Romulus und Remus!«, sagte ein anderer Wolf vor ihnen. »Es war schön, weiß und glänzend. Prächtiger noch als die anderen.«
    Jetzt wusste Commodus, worüber sie sprachen. Links stand ein Haus, ein altes mit offenliegenden Steinen, und rechts war ebenfalls eines errichtet, ockergelb mit großen Fenstern. Doch zwischen ihnen klaffte eine Lücke. Hier hatte ein Haus der Menschen gestanden, aber nun war es weg, einfach verschwunden.
    So, als wäre es nie da gewesen.
     
    Die Cattedrale di San Lorenzo an der Piazza Risorgimento war nur wenige Schritte von dem verfallenen Haus entfernt, das Giacomo nun seit vier Jahren seine Heimstatt nannte. Das Gotteshaus war seit jeher ein Ort der Ruhe, die Stille der imposanten, gotisch-romanischen Kathedrale zog wie Wasserwellen Kreise über die Piazza.
    Nun strömte ein tiefes Brummen aus der Kathedrale. Es schien aus vielen Tönen zu bestehen, die leise und ängstlich ausgestoßen wurden. Wie ein Resonanzkörper spiegelte der Platz diese Unruhe. Die Schritte der Menschen um Giacomo waren deshalb unsicher, ihre Augen blickten sich häufig nervös um.
    Giacomo musste diesmal nicht vor dem großen Eisenportal warten, bis es von innen aufgestoßen wurde. Die Menschenmasse strömte hinein, das Tor schloss sich nicht mehr. Die Kirche war brechend voll. Die Bracke schlief wie immer am Taufbecken zur linken Seite. Wäre es nicht wegen des ihm entgangenen Tramezzino gewesen, er wäre nicht gekommen. Denn die Bracke konnte sehr speziell sein. Giacomo stupste den Hund mit der Schnauze an. Seine Augenlider hoben sich langsam wie alte Rollläden.
    »Giacomo! Giacomo, was führt dich denn zu mir? Ich habe dich schon lange nicht mehr im Haus des Herrn gesehen. Dabei lebst du doch nebenan. Und ich freu mich jedes Mal sehr, dich zu sehen.«
    Der Priester, wie die Hunde Albas ihn nannten, war ein Bracco Italiano , in dessen Ahnenlinie auch die mächtigen Molosser mitgewirkt hatten. Der Priester war schwer und feist, die
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