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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Mond lag jedoch hinter der Hügelkuppe, so dass alles rings um Niccolò fahl erschien. Endlich erreichte er die betonierte Straße, sie war rau und menschenleer. Der junge Windhund konnte nicht erkennen, wohin sie sich schlängelte, doch er ging bergauf. Das erschien ihm verheißungsvoll. Denn fast alle Dörfer der Langhe, das hatte er von Rimella aus sehen können, lagen auf Hügeln und nicht im Tal. Die Menschen lebten gerne ganz oben, dem Himmel am nächsten.
    Schon bald fand ein angenehmer Geruch den Weg in seine Nase und bestätigte Niccolòs Ahnung. Es roch nach Mortadella di fegato, einer derben, fetten Spezialität, genau wonach ihm jetzt der Sinn stand. Er nahm Witterung auf und landete schon nach kurzer Zeit an einer kleinen, windschief aus Wellblech zusammengeschraubten Weinbergshütte. Nun konnte er auch einen Ort erkennen, der tatsächlich oben auf dem Hügelkamm thronte, ein gutes Stück über ihm. Als dunkler Schemen hob er sich vom düsteren Himmel ab. Wie Mauern wirkten die eng aneinanderkauernden Häuser, wie Zinnen die Schornsteine.
    Schon aus der Entfernung roch Niccolò, dass die Mortadella vermutlich ein, zwei Tage in der Wellblechhüttegelegen hatte, von der Tageshitze erwärmt und so schneller gealtert war. Doch das störte ihn überhaupt nicht. Die Tür des Schuppens war nur angelehnt, schnell glitt er hinein und fand zwischen den Weinbergswerkzeugen, den Scheren und Handschuhen, den Bütten und Eimern, Heftern und Pheromonfallen in einer Ecke das alte Mortadella-Stück.
    Mit der Pfote schob Niccolò es zu sich, das Stück hatte noch keinen Schimmel angesetzt und war nur zweimal angebissen. Er würde es essen und danach schlafen. Er würde sich nicht vom Wind stören lassen, der so an der Hütte rüttelte, dass sie wie ein zusammenbrechender Traktor klang. Sein Fell würde hier trocken bleiben und sein Magen voll. Das war erst einmal genug.
    Doch jemand hatte sich hinter ihn geschlichen. Und schnüffelte nun seelenruhig an seinem Hinterteil.
    »Das ist meine Mortadella, kleiner Scheißer. Dreh dich nicht um und rühr sie nicht an, sonst verlierst du eines deiner schnuckeligen kleinen Ohren.«
    »Ich habe es zuerst gesehen«, sagte Niccolò knurrend. »Deshalb gehört es mir!«
    »Seit ich denken kann, lässt der alte Banfi seine Reste hier für mich liegen. Es steht mir zu, und du dreckige Töle bekommst nichts davon ab.«
    Niccolò nahm all seinen Mut zusammen und drehte sich um. Er versuchte mit freundlicher Stimme zu sprechen. »Ich habe seit ich-weiß-nicht-wie-lange nichts mehr gegessen. Gib mir etwas ab, Bruder.«
    »Bruder?«, fragte der massige Bullterrier und baute sich vor Niccolò auf. »Du? Ich musste lange schnüffeln, um zu erkennen, dass du keine Katze bist.«
    Niccolò hielt an sich, um nicht auf sein Gegenüber loszugehen. Der Bullterrier drückte ihn rüde zur Seite und nahm das ganze Stück Mortadella ins Maul. »Du und dein Hunger, ihr seid nicht mein Problem. Und ihr gehört nichthierher, schert euch weg. Wenn ich zu Ende gegessen habe und du bist noch da, probiere ich, wie so ein Katzenhund schmeckt.«
    Niccolò konnte sehen, wie die köstliche Wurst von den Zähnen des Bullterriers zerkleinert und nach und nach weniger wurde.
    »Sag mir, wo ich noch so ein Stück finde, und ich bin weg. Auf der Stelle!«
    »Da müsstest du schon eine Nase wie Giacomo haben, um hier in der Gegend noch so eines zu finden. Und jetzt verschwinde.«
    Aber Niccolò verschwand nicht.
     
    »Was sollen wir nur machen, wenn er sich auch an dieser Stelle nicht findet?«, fragte Vespasian panisch und buddelte trotz schwindender Kraft immer tiefer in der aufgewühlten Erde. Commodus flog der Dreck wie Pfeilspitzen ins Gesicht, und er wendete sich ab. Die beiden jungen Wölfe waren zum herabgestürzten Berg abkommandiert worden, um nach Leichen zu suchen. Sie standen in Grarrs Hierarchie noch weit unten, weshalb sie in jede Aufgabe ihren ganzen Ehrgeiz stecken mussten. Vespasian hatte einen geschmeidigen Körper, und rotes Fell schloss kreisrund sein rechtes Auge ein. Commodus war kräftiger gebaut, sein Fell war grau, doch die Vorderbeine schlohweiß, als hätte er sie gekalkt.
    »Lass dein Blut nicht unnötig aufwallen. Er muss hier sein, die Kralle hat es selbst gesehen«, sagte Vespasian und beförderte die nächste Fuhre Erde an die Oberfläche.
    Commodus rollte mit der Schnauze den bereits geborgenen Körper Cinecittas auf den Rücken und sog den Duft ein. »Sie riecht immer noch
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