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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Krüppel, einen Geschlagenen, war dieser Fund ein unerwartetes Geschenk. Ein Knurren drang aus Aurelius. Es kam nicht vom Hunger, es zeugte von wiedererwachender Kraft. Sein alter Leib wurde in eine Schwingung gebracht, die er schon lange nicht mehr verspürt hatte.
    Der leblose Körper, den er mit seinem Auge fixierte, hatte sich nicht mehr bewegt, seit die Sonne über der höchsten Pappel des kleinen Waldes erschienen war. Aurelius zweifelte nicht daran, dass kein Blut mehr in den Bahnen zirkulierte,dass dieser Leib ohne Leben war. Aber Aurelius war alt, und er hatte schon viel gesehen, was eigentlich nicht sein konnte. Er ging einfach auf Nummer sicher. Er wollte sich nicht lächerlich machen, das überließ er der Jugend.
    Grarr würde besonders freuen, wie der Tod eingetreten war. Er schätzte das Grausame und das Ausgefallene.
    Aurelius würde es nun melden gehen.
    Dies war ein guter Tag. Die Langhe zeigte Gnade mit einem alten Graurücken. Aurelius streckte langsam die Hinterläufe durch und wendete seinen Körper, den die Morgensonne nun zärtlich erwärmte wie eine Mutter ihr frierendes Kind. Drei junge Wölfe schossen hechelnd an ihm vorbei. Sie waren wie ein Sturm auf zwölf Beinen. Und er wusste, wie gefährlich dieser Sturm sein konnte.
    Aurelius hörte, worüber sie sprachen, und er roch das wie Fontänen aus ihren Poren dringende Adrenalin.
    Sie hatten die Leiche ebenfalls gesehen. Und sie waren auf dem Weg zu Grarr.
     
    In Donadonis Metzgerei hing das Fleisch wie stets an den Haken und roch köstlich. Der Laden war leer, die Messer lagen noch auf dem Block, als würden gleich mit ihnen Filets herausgeschnitten und Knochen gespalten. Niccolò ging erwartungsvoll hinter die Theke und damit an einen geheimen Ort, den er nie hatte betreten dürfen. Vielleicht machte Donadoni dort ein Nickerchen, oder er war einfach nur den Ausdünstungen seiner Angestellten erlegen, die verführerische Blütenaromen auf ihren Hals auftrug, und beide lagen ineinander versunken auf den kühlen weißen Kacheln.
    Doch der Boden war leer, bis auf einige Blutspritzer.
    Der Weg ins Hinterzimmer, in die eigentliche Metzgerei, war versperrt, die Tür verschlossen. Niccolò hörte nichts von dahinter, roch auch nicht den warmen, salzigsüßen Geruch lebender Menschen. Sondern nur Fleisch. Direkt überihm. Doch zu hoch, um mit einem beherzten Sprung dorthin gelangen zu können, hing die Verheißung an spitzen Metallhaken. Niccolò leckte sich trotzdem die Lefzen, als hätte er ein Stück davon im Maul.
    Was konnte Donadoni, einen guten Menschen mit wichtigem Handwerk, dazu bringen, sein Fleisch allein zu lassen? Welches Unglück musste geschehen sein, um diesen Mann von seinem Liebsten fernzuhalten?
    Niccolò hatte gesehen, wie der Metzger das Fleisch berührte, wie seine Finger es massierten und streichelten. Nie ließ er einem der Hunde Rimellas solche Liebkosungen zukommen.
    Er musste irgendwo sein. Die Menschen Rimellas würden sich bestimmt irgendwo versammelt haben, wahrscheinlich, weil ein Fest stattfand. Die Mangialonga in den Weinbergen zum Beispiel oder der Palio degli Asini in Alba, von dem Niccolò bisher nur gehört hatte, dass dort störrische Esel gejagt wurden.
    Schon anhand der Struktur von Kiesel und Stein in den Gassen Rimellas wusste Niccolò stets, wo im Dorf er sich befand. Trotzdem erschien ihm nun alles fremd und gefahrvoll. Sein eigenes Heim war verschlossen, kein Futternapf stand vor seiner Unterkunft, es gab keinen Klang vertrauter Schritte und liebgewonnener Stimmen. Nicht die seiner beiden ausgewachsenen Menschen, und auch nicht der schrille Klang des kleinen Mädchens mit dem hellen, geflochtenen Haar und den Zähnen, auf denen ein Metalldraht funkelte. Nur die Hühner im Stall hinten im Garten gackerten wie eh und je. Es war sein Zuhause und doch nicht, denn zu diesem gehörten die Menschen und ihre Töne, die Gerüche und die Hände, die ihm ab und an das Fell kraulten.
    Mit jedem Haus, in das er blickte, wurde er bedrückter, sank sein Kopf tiefer zu Boden. Vor dem der Bolgheris, Cinecittas Heim, schreckte er lange zurück, hob es sich auf.Doch nun drängte es ihn, genau dorthin zu gehen, denn die Piazza war nicht deshalb so schrecklich leer, weil keine Autos fuhren, keine Menschen miteinander sprachen, sondern weil Cinecitta nicht von ihrer Loge herabblickte.
    Das Tor zum Innenhof des dotterfarbenen Eckgebäudes stand einladend offen. Innen sah es aus wie immer, im herzförmigen Schwimmbecken
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