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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn
Autoren: J Tan
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dreieinhalb Monaten ab. Sollten sie Hereward von Rokesberghe bis Michaelis nicht auszahlen können, würde ihnen nicht anderes übrig bleiben, als sich auch von diesem Haus zu trennen. Doch daran wollte derzeit niemand denken. Heute sollte die Wiedersehensfreude überwiegen, die ihnen allen trotz der schmerzlichen Ereignisse ein kleines Lächeln aufs Gesicht zauberte.
    Natürlich bot Runas und Walthers Stube keinen Tisch, der groß genug für sie beide, Albert, Ragnhild, Godeke, Oda, Ava mit ihren Kindern, Marga, Margareta, Agnes, Freyja, Thymmo und Eccard Ribe war, doch sie rückten gern ein wenig zusammen. Noch bevor das Mahl begann, gedachten sie alle ihres toten Freundes Thiderich und hoben ihm zu Ehren ihren Becher.
    Bereits gestern hatte ein Priester Thido getauft und den beiden Paten, Albert und Godeke, den Schwur abgenommen, sich für immer um ihn zu kümmern. Nichts war ihnen leichter gefallen.
    »Auf Thiderich!«
    »Und auf Thido, der seinem Namen und dem meines toten Gemahls alle Ehre machen wird«, sagte Ava und legte dem Kind Thiderichs Muschel in die Krippe.
    »Auf Thido!«
    Trotz ihrer tiefen Trauer um ihren Freund wurde es ein vergnügliches Mahl. Die Familie war wieder zusammen, und sie hatte einen neuen Freund hinzugewonnen.
    »Eccard, wie lange hast du vor, in Hamburg zu bleiben? Wir alle hoffen doch, dass du nicht allzu schnell abreisen musst. Auch wenn das Haus mittlerweile eng geworden ist, bist du uns mehr als willkommen«, sagte Walther freundlich.
    »Das weiß ich zu schätzen, doch ich werde mich schon morgen auf den Weg machen müssen. Es riecht geradezu nach einer Fehde zwischen den Grafen, und ich habe mich noch nicht entschieden, für welche Seite ich kämpfen werde.« Sein letzter Satz war begleitet von einem vielsagenden Augenzwinkern.
    Albert wusste, dass der Ritter schon seit Längerem mit der Treue zu seinem wankelmütigen Herrn haderte. Eine Fehde bot immer eine willkommende Möglichkeit für einen Überlauf. »Nun gut, tue, was immer du tun musst, guter Freund«, sagte Albert und fügte grinsend hinzu: »Nur schade, dass du dann das Gerichtsverfahren unseres gemeinsamen Feindes Johannes’ vom Berge verpasst.«
    »Das werde ich gerade noch verkraften«, winkte Eccard ab. »Ich sehe viel zu viel Blut fließen und sehne mich nach der Ruhe und dem Frieden auf meiner Burg, bevor die Schlacht mich wiederhat.«
    »Das verstehe ich gut. Wir alle werden für deine gesunde Rückkehr beten. Wenn du aber so gut kämpfst, wie du Schach spielst, dann müssen wir uns um dich keine Sorgen machen.«
    Eccard brach in lautes Gelächter aus und stieß Albert in die Seite, dessen Stolz offenbar darunter gelitten hatte, dass es ihm bis heute nicht gelungen war, auch nur ein einziges Spiel gegen den Ritter zu gewinnen. »Wir werden noch viele Partien gemeinsam spielen, und eines Tages wirst du der Sieger sein, Albert. Aber bis dahin ist noch Zeit.« Der Ritter griff nach einem Stück Fleisch und fragte mit vollem Mund: »Sage mir lieber, was du als Nächstes zu tun gedenkst. Willst du wieder in den Holzhandel einsteigen und dich im Rat verdient machen?«
    »Hmm …«, brummte Albert anstelle einer Antwort. Seine Augen wanderten zu Ragnhild. »Ich glaube eher nicht …«
    Eccard folgte Alberts Blick und erwiderte mit einem schiefen Grinsen: »Umso besser, mein Freund.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich weiß zwar, dass du das Leben auf einer Burg nicht sonderlich schätzt, doch umso mehr schätze ich dich. Ich könnte wohl noch einen Truchsess gebrauchen.«
    Ein Lächeln trat auf die Gesichter von Ragnhild und Albert, die einander nach wie vor wortlos anschauten.
    »Es ist einsam dort«, sagte Albert schließlich zu seiner Frau.
    »Das macht mir nichts.«
    »Die Burg ist dunkel und im Winter sicher zugig.«
    »Es gibt Kamine und Talglichter.«
    »Keine Nachbarn, nur das Gesinde, ein paar Ritter, Wachen, Knappen, Pagen …«
    »Klingt wunderbar!«
    »Dann sei es beschlossen«, entschied Albert und reichte Eccard Ribe die Hand, um seine Worte zu besiegeln.
    Der Ritter hob freudig seinen Becher, und alle taten es ihm nach. Nun fehlte ihm nur noch eines zu seinem Glück. Verstohlen wanderte sein Blick zu der schönen Margareta. Ihre Wege hatten sich heute zum ersten Mal gekreuzt, doch schon jetzt konnte Eccard seine Augen nicht mehr von ihr lassen. Mit einem verschwörerischen Lächeln lehnte er sich zu Albert hinüber, legte ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm zu: »Schäme dich, dass du mir
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