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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn
Autoren: J Tan
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seinen Fingern. Dann lehnte er sich mit dem Rücken an das weiche Tuch und atmete tief durch. Der Tag war anders verlaufen, als er es sich vorgestellt hatte, aber trotz allem machte sich ein wohltuendes Gefühl der Zufriedenheit in ihm breit. Tief im Innern hatte er immer an Alberts Unschuld geglaubt. Endlich konnte er sagen, was ihm schon seit langer Zeit auf den Lippen lag: »Albert von Holdenstede, hiermit ist alle Schmach und Schande von Euch genommen. Ihr seid ab heute wieder Mitglied des ehrenwerten Rates im Kreis der Assumpti. Eure Tochter wird ebenfalls von ihrer Schuld freigesprochen und kann gehen, wohin es ihr beliebt. Keinem Mitglied Eurer Sippe darf mehr Übles nachgesagt werden, das die Ereignisse betrifft, welche mit Johannes vom Berge oder Vater Everard zusammenhängen. Johannes vom Berge wird aus dem Rat ausgeschlossen, und Heseke vom Berge verliert den Titel der Domina. Über ihrer beider Schicksal wird ein Gericht entscheiden.«
    Nach diesen Worten brach ein großer Jubel aus. Albert, Godeke und Walther wurden beglückwünscht und umarmt. Doch sosehr sie die Geschehnisse auch überwältigten – eines war für sie alle am wichtigsten: Runa war frei! Endlich würde sie aus dem Verlies entlassen werden! Sie sollte dort nicht einen Moment länger ausharren müssen als nötig.
    »Ich danke Euch«, sagte Albert gerührt zu Willekin Aios und legte seine Hand aufs Herz. »Doch habt Verständnis – ich muss jetzt gehen.«
    »Ja, geht und holt Eure Tochter aus dem Verlies, Ratsherr «, sagte der Bürgermeister mit der Betonung auf dem letzten Wort.
    Albert, Walther und Godeke eilten, so schnell sie konnten, zum Verlies, wo ihnen der Wächter prompt den Weg versperrte. Einen solchen Fehler wie in jener Nacht, als er Ava, Oda und Kethe zu Runa gelassen hatte, würde er ganz bestimmt kein zweites Mal machen. »Was wünscht Ihr Herren?«, fragte er daher mit fester Stimme.
    Walther trat vor. »Lass uns rein. Wir kommen auf Befehl des Bürgermeisters, um die Dame Runa von Sandstedt zu befreien.«
    Der Wächter lachte kurz auf. Er dachte gar nicht daran, zur Seite zu gehen. »Das kann ja jeder behaupten!«, erwiderte er frech, ohne zu ahnen, was für ein gewaltiger Fehler das war.
    Die Geduld des sonst so friedfertigen Nuncius und Spielmanns war am Ende. Er holte kurzerhand aus und verpasste dem Mann einen Kinnhaken – so wie es Godeke ihm kürzlich vorgemacht hatte. Der Wächter sackte ohnmächtig zusammen. »Du hattest recht, Godeke, es ist gar nicht so schwer«, stellte er, selbst ein wenig überrascht, fest, stieg über den Körper hinweg und nahm den Ring mit den Schlüsseln an sich.
    Zelle für Zelle gingen die Männer ab, bis sie in einem der moderigen, stinkenden Löcher endlich der zusammengesunkenen Gestalt Runas gewahr wurden.
    Walther stürmte hinein und rief ihren Namen. »Runa!« Seine Frau rührte sich nicht, selbst als Walther sie in seine Arme schloss, blieb ihr Körper ohne jede Reaktion. Für einen winzigen Augenblick dachte er, sie wäre tot. »Nein, nein, nein! Ich bin’s, Runa!«, rief er noch einmal. »Komm zu dir! Ich werde dich hier rausbringen. Das alles ist nun vorbei. So sag doch etwas!« Behutsam nahm er ihr Gesicht in seine Hände. Endlich öffnete sie die Augen. »Großer Gott und alle Heiligen, du lebst!«, entfuhr es Walther erleichtert.
    »Schnell, wir müssen sie von hier wegschaffen«, drängte Godeke mit einem fassungslosen Blick auf die unwirtliche Umgebung, die seine Schwester viel zu lange hatte ertragen müssen.
    Walther hob sie hoch und trug sie aus dem Verlies.
    Bald darauf erreichten sie ihr Haus in der Reichenstraße, aus dem ihnen die vor Glück und Erleichterung weinende Agnes entgegenhumpelte. Es dauerte nicht lange, da war die Kunde über Alberts Wiederaufnahme in den Rat und Runas Freilassung bis in den letzten Winkel der Stadt vorgedrungen.
    Es war nicht nötig, nach Ava und Oda oder Runas Freundin Kethe Mugghele schicken zu lassen, die drei kamen bereits in das Haus der Reichenstraße geeilt, um sich um die geschwächte Schwägerin und Freundin zu kümmern.
    Runa wurde gewaschen, neu eingekleidet und bekam etwas Warmes zu essen, doch noch war sie zu schwach, um über das Erlebte zu sprechen. Am Abend ließ man die Männer das erste Mal zu ihr.
    »Meine Tochter, du bist wieder bei uns«, sagte Albert, der sich an Runas Bettstatt setzte und ihr zärtlich über die Stirn strich. »Jetzt wird alles gut.«
    »Ich bin so froh, dass es dir scheinbar ein wenig besser
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