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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn
Autoren: J Tan
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nicht vor, Euch lange aufzuhalten. Ich bin gekommen, um Euch an die Zahlung zu erinnern, die seit dem elften November aussteht. Ihr erinnert Euch? Das Martinifest?«
    Nicolaus von Rokesberghe griff sich an den Kopf und setzte ein betroffenes Gesicht auf. »Es ist noch eine Zahlung offen? Ja richtig, für die Fuhren Holz, welche ich für die Bebauung meines Grundstückes benötigt habe.«
    »So ist es. Doch ich habe keinen Zweifel daran, dass Ihr die Frist nur deshalb versäumt habt, da Ihr ein so überaus vielbeschäftigter Mann seid. Seht meine Erinnerung demnach als einen Freundschaftsdienst, der keines Danks bedarf.« Walther wählte seine Worte mit Bedacht. Nun, da sein Gegenüber zugegeben hatte, dass es sich um ein Versehen handelte, und Walther sich so verständnisvoll zeigte, konnte der säumige Ratsherr nicht anders als die offene Zahlung sofort zu begleichen.
    »Nuncius, ich bin ein Ehrenmann und werde meine Schuld natürlich umgehend bezahlen. Wollt Ihr nicht doch einen Wein?« Er wartete die Antwort Walthers gar nicht mehr ab, sondern rief unverzüglich nach seiner Frau. »Greta, Greta!« Dann erhob er sich und verkündete: »Meine Gemahlin wird sich gleich um Euer Wohl kümmern. Ich werde derweil die Münzen für Euch holen gehen.«
    Kurze Zeit später kam die zierliche Frau des Ratsherrn herein, einen Krug in den Händen und ein Lächeln auf den Lippen. Wortlos füllte sie zwei Becher und warf dabei verstohlene Blicke auf Walthers Laute.
    »Ich danke Euch für den Wein, Domina Greta«, sagte Walther und lächelte ebenfalls. Er kannte die Frau von früheren Besuchen, bei denen sie jedes Mal sichtlich angetan von seiner Laute gewesen war.
    »Er wird Eurer Stimme guttun, singender Nuncius. Ich habe den Wein mit Ingwer, Honig, Zimt und Nelken angereichert.«
    »Wie recht Ihr habt, gute Frau. Warmer Würzwein verträgt sich gut mit dem Singen und Dichten. Doch nur Gott weiß, wann ich das nächste Mal dazu kommen werde, bei all der Arbeit.«
    »Nun, wenn es Euch gefällt, dann spielt doch jetzt gleich. Ich wäre hocherfreut …«
    »Greta! Du vergisst dich«, tadelte Nicolaus von Rokesberghe, der gerade wieder hereingekommen war, seine Frau streng.
    »Bitte entschuldige, mein Gemahl«, sagte die Ratsherrnfrau plötzlich eingeschüchtert. Dann nahm sie den Krug vom Schreibpult und ging gesenkten Blickes hinaus.
    Walther schaute ihr betrübt nach. Er wusste genau, warum der Ratsherr seine Frau getadelt hatte. Nicht zum ersten Mal erfuhr er am eigenen Leib, dass Spielleute zu den am wenigsten geachteten Männern und Frauen des Landes gehörten. Auch wenn jedermann gerne der Musik lauschte, wollte sich doch niemand mit ihnen umgeben.
    »Hier ist das Geld für Albert von Holdenstede«, sprach der Ratsherr und drückte Walther ein ledernes Säckchen mit Münzen in die Hand. »Bitte entschuldigt mich nun, die Arbeit kann nicht länger warten.«
    »Natürlich, Ratsherr. Gehabt Euch wohl«, sagte Walther, dem der unterkühlte Ton sehr wohl aufgefallen war, und machte sich wieder auf den Heimweg.
    »Vergesst nicht euer Gebet, meine lieben Schätze.«
    »Nein, Mutter.«
    Runa wünschte ihren Kindern nacheinander eine gute Nacht und drückte jedem von ihnen einen Kuss auf den Kopf. Dann suchte sie mit einem Talglicht in der Hand Walthers und ihre Schlafkammer auf. Wie erwartet war sie leer.
    Walther war noch nicht nach Hause gekommen. Auch wenn er sonst ein verlässlicher Gemahl war, der sich äußerst selten in den Schenken herumtrieb, konnte es schon mal passieren, dass er von wichtigen Angelegenheiten im Hause ihrer Eltern aufgehalten wurde. Häufig schlief er dann sogar im Kontor – sei es der Arbeit wegen oder weil er sein Zuhause mied.
    Es fiel Runa schwer zu leugnen, dass sie es begrüßte, alleine zu sein. Walther war ein stürmischer Liebhaber, der sie häufig in die eheliche Pflicht nahm. Nicht selten vermutete sie hinter den ständigen Liebesakten eine Art wiederholtes Feststellen seines Besitzes. Wenn er schon nicht ihre Liebe haben konnte, dann wenigstens ihren Körper – und zwar so häufig, wie es ihn danach verlangte!
    Als Runa am nächsten Tag erwachte, war sie allein in der Kammer, wenngleich der Zustand ihrer Bettstatt verriet, dass Walther in der Nacht neben ihr gelegen hatte. Schnell kleidete sie sich an und lief hinunter. Der heutige Tag würde ihr viel Arbeit bescheren, denn morgen war Weihnachten.
    Gleich nachdem sie einen Fuß in die Küche gesetzt hatte, kam ihr Poppo entgegen. Das
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