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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn
Autoren: J Tan
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pechschwarze Fell des Katers zeigte sich makellos, und sein Gang war aufrecht und stolz. Wie immer begann er sofort damit, sich an Runas Bein zu reiben. Er wusste nur allzu genau, dass sie sich seinen Liebkosungen nicht entziehen konnte.
    Mit einem weichen Lächeln auf dem Gesicht hob sie ihren Kater hoch und drückte ihre Wange an die seine. Schnurrend ließ Poppo sich ihre Zärtlichkeiten gefallen, stets in der Hoffnung, dass danach etwas Futter für ihn abfiel. »Hallo, Poppo, mein Hübscher. Hast du dich am Feuer gewärmt? Wie bist du denn schon wieder ins Haus gelangt?«
    In diesem Moment betrat Agnes, die Magd, die Küche.
    »Guten Morgen, Herrin.«
    »Guten Morgen, Agnes«, erwiderte Runa, ohne den Blick von ihrem geliebten Kater zu nehmen. Etwas halbherzig erkundigte sie sich: »Hast du Poppo hereingelassen?«
    »Ja, Herrin. Ich weiß, der Herr wünscht das nicht, aber Ihr wisst doch, wie laut dieser kleine Quälgeist maunzen kann, wenn es ihm zu kalt und zu nass draußen ist.«
    »Ja«, seufzte Runa lächelnd, »das weiß ich. Aber sieh zu, dass du ihn nicht aus Versehen aus der Küche entwischen lässt. Du weißt, dass Walther es nicht schätzt, wenn Poppo frei herumläuft.«
    »Ich werde achtgeben«, versprach Agnes und wuchtete einen großen Kessel Wasser über die Feuerstelle. »Wenn dieses störrische Tier doch nur wüsste, was für ein nettes Leben es führen könnte …«
    Runa stimmte Agnes stumm zu. Aus einem unerklärlichen Grunde hasste Poppo Männer. Ausnahmslos verachtete er jeden einzelnen Vertreter dieses Geschlechts, so auch Walther. Wann immer die beiden aufeinandertrafen, fuhr der schwarze Kater seine Krallen aus. Runa wusste, dass Poppo nur deshalb von ihrem Mann geduldet wurde, weil er seiner Frau einfach keinen Wunsch abschlagen konnte. Noch hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der ihr einst zugelaufene Streuner sich irgendwann bessern würde. »So, nun ist es genug«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihrem Kater und ließ ihn wieder zu Boden.
    Sie wandte sich ihrer Magd zu, die gerade dabei war, das offene Feuer unter dem Wasserkessel zu schüren. »Agnes, wir haben heute viel zu tun. Ich werde mich gleich zu Agatha aufmachen, um den Stoff zu holen, den ich für Freyjas Kleidersaum benötige. Wenn du hier fertig bist, dann gehe bitte zur Niedermühle und forme danach den Teig, der zur Backstube muss, damit wir morgen genügend Fastenbrezeln haben. Ach ja, und wenn du damit fertig bist, besorge bitte gleich den Karpfen.«
    Mit einem angedeuteten Knicks erwiderte Agnes folgsam: »Jawohl, Herrin.«
    Allein bei dem Wort »Fastenbrezeln« musste Runa innehalten, um nicht den Mund zu verziehen. Nach Weihnachten war die vierzigtägige Fastenzeit endlich vorüber. Runa konnte nicht leugnen, dass sie sich wie jedes Jahr darüber freute.
    Gerade wollte sie die Küche verlassen, als sie bemerkte, dass ihre Magd offenbar noch etwas auf dem Herzen hatte. Agnes war erst wenige Monate bei Runa und wusste ganz offensichtlich noch nicht, was sie sich bei ihrer neuen Herrin erlauben konnte. Doch Runa mochte das Mädchen und fragte daher freundlich: »Was gibt es noch?«
    »Ich … ich würde morgen gerne mit meiner Familie das Krippenspiel besuchen, wenn Ihr erlaubt. Meine arme Mutter kann nicht ohne Hilfe gehen, aber wenn ich sie stütze …«
    Runa schaute Agnes verwundert an. »Aber natürlich kannst du morgen zum Krippenspiel gehen. Ich wäre erbost, wenn du das nicht tun würdest. Als gute Christenfrau ist es deine Pflicht und als gute Tochter nicht weniger. Sobald du die Kinder morgen für den Kirchgang angekleidet hast, darfst du dich auf den Weg machen.«
    Agnes lächelte erleichtert. »Ich danke Euch. Ihr seid so gut zu mir.«
    Mit einem freundlichen Nicken verschwand Runa kurz darauf aus der Küche. Wie schon so oft in der Vergangenheit musste sie sich über Agnes wundern. Die Magd hatte vorher offensichtlich unter einer grausamen Herrschaft gedient. Jede noch so kleine freundliche Geste ließ sie aus Dankbarkeit über das ganze Gesicht strahlen. Agnes war ein gutes Mädchen. Diese Tatsache stimmte Runa glücklich. Bislang hatte sie nur Pech mit ihren Mägden gehabt. Eine war am Fieber gestorben, die andere im Kindbett, und eine dritte war so faul gewesen, dass Runa sie davongejagt hatte. Nun sah es fast so aus, als hätte sie endlich einmal ein gutes Händchen bewiesen.
    Beschwingt verließ sie das Haus in Richtung Westen. Seit Tagen schneite es unaufhörlich, und auch diese Nacht
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