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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn
Autoren: J Tan
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hatte, wurde durch seine Hinrichtung diese Schuld an ihr gesühnt.
    Ragnhild und Albert hingegen hatten ihr das einzige Leben genommen, welches sie je gekannt hatte: das einer Tochter aus angesehenem Hause und Frau eines Ratsherrn. Auch wenn sie dieses Leben niemals mehr zurückerhalten und sehr wahrscheinlich eines Tages einsam in ihrer Hütte im Wald würde sterben müssen, so wollte sie doch wenigstens bis zum letzten Atemzug darum kämpfen, ihre Feinde ins Unglück zu stürzen. Der Tod Gerhards I. war ein Anfang. Noch wusste sie zwar nicht, wie sie die verdiente Rache an ihren Feinden nehmen konnte, doch sie war bereit, dafür zu sterben!

3
    Walther konnte sich an diesem Tag schlecht konzentrieren. Immer wieder fuhr sein Blick auf – weg von dem Kaufmannsbuch vor ihm und hin zu Albert und Thiderich, die auf der anderen Seite des Kontors saßen und sich lachend unterhielten.
    »… ich sage dir, mein Sohn wird später eher ein Schwert führen denn eine Schreibfeder«, sprach Thiderich belustigt. »Es ist ganz gleich, wie häufig sein Lehrer ihn ermahnt, seine Schreibübungen zu machen. Immer wenn keiner hinschaut, stiehlt er sich davon und schlägt alles kurz und klein.«
    »O ja, ich habe davon gehört. Ava hat uns gestern besucht und erzählt, dass dein Junge abermals einen Krug in der Küche zerbrochen hat, als er ihn mit seinem Stock zu bekämpfen versuchte. Ich würde dir ja gerne raten, strenger mit ihm zu sein, doch Godeke war genauso verrückt nach seinem Holzschwert. Heute ist er mir ein guter Partner in den Geschäften und kann kämpfen – was keine schlechte Mischung ist.«
    »Wie recht du hast, doch erkläre das mal Ava …«
    In diesem Moment sprang Walther ruckartig auf. Er klemmte sich das schwere Kaufmannsbuch unter den Arm, griff nach seiner Laute, die ihn überallhin begleitete, und sagte: »Bei eurem Geplapper kann ja kein Mensch arbeiten. Ich komme später zurück.«
    Die beiden Freunde schauten dem Nuncius verwundert hinterher. Noch bevor er aus dem Haus war, rief Thiderich: »Was hast du denn für eine Laune?«
    »Wo gehst du überhaupt hin?«, wollte Albert wissen.
    »Zu Nicolaus von Rokesberghe. Bei ihm steht seit dem Martinifest noch eine Zahlung aus!«, gab Walther zur Antwort. Dann hörten die Freunde die Türe knallen.
    Schon als Walther auf die Straße trat, bereute er sein Verhalten. Er hatte seine Freunde nicht so anfahren wollen, doch die Arbeit als Alberts Nuncius erfüllte ihn mit den Jahren immer weniger – zumal seine eigentliche Leidenschaft seit jeher dem Minnesang galt –, und das machte ihn dünnhäutig. Außerdem hatte das fröhliche Gespräch über Thiderichs Sohn und dessen Frau ihm mal wieder allzu schmerzlich aufgezeigt, was ihm verwehrt blieb: eine glückliche Ehe und ein eigener Sohn!
    Auch wenn Runa wieder schwanger war und somit die Möglichkeit auf einen eigenen Sohn bestand, würde Thymmo stets von ihrer einstigen Liebe zu Johann Schinkel zeugen. Vorbei waren die Tage, da er fest geglaubt hatte, Runas Herz eines Tages für sich zu gewinnen. Mit den Jahren war ihm dieser Irrtum schmerzlich bewusst geworden, weshalb er mehr und mehr Zeit außerhalb des Hauses verbrachte. Wann immer sich die Möglichkeit bot, ging er in Alberts Auftrag auf Reisen oder beugte sich stundenlang über die Kaufmannsbücher.
    Die Nähe zu seinen beiden besten Freunden Thiderich und Albert empfand er mittlerweile als heilend und schmerzhaft zugleich. Albert und Ragnhild waren überaus glücklich miteinander, und Thiderich hatte die schöne Ava von Staden geheiratet, um die er allerorts beneidet wurde. Ja, manches Mal kam ihm die Gegenwart seiner Freunde vor wie eine Folter, und dann reagierte er so ungehalten wie gerade eben.
    Er hatte diesen Gedanken just zu Ende gedacht, da stand er auch schon vor dem Hause der Rokesberghes im Kirchspiel St. Nicolai. Eine Magd öffnete ihm und führte ihn ins Kontor des Hausherrn, wo sich Walther erst einmal den Schnee von seinem Mantel klopfte.
    Erst die tiefe Stimme hinter ihm ließ ihn herumfahren. »Nuncius, wie erfreulich, Euch zu sehen. Was ist der Grund für Euren Besuch, der Euch durch diese ungastliche Kälte geführt hat?«
    »Ratsherr«, gab Walther zurück und beugte respektvoll den Kopf. »Ich danke Euch, dass Ihr etwas Zeit für mich erübrigen könnt.«
    »Nicht doch, für meine Freunde habe ich immer Zeit«, schmeichelte der Ratsherr in dem Wissen, dass er Albert noch Geld schuldete. »Möchtet Ihr Wein?«
    »Habt Dank, doch ich habe
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