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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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gehalten und Taurin für einen Einsiedler.
    Vielleicht war er tatsächlich ein solcher gewesen und hatte sein Leben Gott geweiht. Vielleicht aber hatte er nur den Anschein gegeben, fromm zu sein, weil niemand erfahren sollte, dass er eine Frau aus dem Norden, die ihr Leben lang eine Heidin blieb, liebte.
    »Manchmal war ich mir sicher, dass sie ihn des Nachts besuchte«, murmelte Arvid. »Aber womöglich ging sie nur in den Wald, um zu jagen oder um allein zu sein. In der Früh kehrte sie oft mit erlegten Tieren und roten Backen wieder, ein wenig außer Atem und mit Holzzweiglein im Haar. Ob auch mit Liebe im Herzen - ich weiß es nicht.«
    »Sie sind also nie wirklich Mann und Frau geworden«, murmelte Gisla.
    Arvid zuckte die Schultern. »Runa hat mir oft die Geschichte von Skadi und Njörd erzählt. Die eine liebte die Berge und hasste das Meer, der andere liebte das Meer und hasste die Berge, und doch blieben sie ein Paar. Njörd folgte Skadi in die Berge, dann folgte Skadi Njörd ins Meer. Und weil Skadi die Stärkere war, verbrachten sie mehr Zeit in den Bergen als im Meer. Deswegen dauert in Norvegur der Winter acht Monate und der Sommer nur vier. Runa und Taurin - sie waren wie Skadi und Njörd.«
    »Aber Runa und Taurin haben nicht zusammengelebt ... weder im Winter noch im Sommer?«
    »Nein, das haben sie nicht ...«
    Arvid schien noch etwas sagen zu wollen, aber dann hörten sie Schritte hinter sich. Die Nonnen kamen aus dem Kloster, die Subpriorin allen voran, dicht dahinter Mathilda, und Gisla war nicht mehr Gisla, sondern die Äbtissin, und sie fragte Arvid nicht mehr nach der Wahrheit, sondern erzählte den Nonnen Lügen.
    Sie begruben Taurin am nächsten Tag - auf dem Friedhof, der sich gleich neben der Kirche befand, damit Christus am Jüngsten Tag nicht allzu lange nach den Seinen suchen musste. Erst einige Wochen zuvor hatten sie dort eine alte Nonne begraben. Diese hatte einen Steinsarkophag bekommen, gefüllt mit Schätzen für die Reise ins Jenseits, obwohl es Aberglaube war, dass man dergleichen brauchte, und gute Taten zu Lebzeiten das Einzige waren, was zählte.
    Für Taurin hatten sie keine Schätze und auch keinen Steinsarkophag. Sie legten ihn, nur in seinen Mantel gehüllt, in ein Grab. Gisla starrte auf den Mann, den sie getötet hatte. Nicht länger schien es ihr grausam, sondern vor allem unwirklich, und kurz gab sie sich dem Trug hin, dass sie nicht ihn, sondern Runa begrub.
    All die Jahre war sie davon überzeugt gewesen, dass eine, die so stark war wie Runa, nicht vor ihr sterben könnte, doch sie hatte sich geirrt. Wäre sie noch am Leben, hätte sie Arvid gegen die Feinde beschützt, und Runa hätte die Richtigen getötet, nicht wie Gisla den Falschen.
    »Sie war doch glücklich, oder?«, fragte sie ihn.
    »Sie hat nie anderes behauptet, und ich habe nie anderes vermutet. Desgleichen wie ich nicht daran gezweifelt habe, dass sie meine Mutter war - und mein Vater ein Franke, der mit dem König verwandt war. Taurin hielt ich für dessen Freund.«
    »Wie ist ihr Leben weitergegangen? Wie ... wie ist sie gestorben?«
    Arvid antwortete nur zögernd. »Sie lebte friedlich mit den Bauern, zehn Jahre lang - dann kam es beinahe zum Krieg.«
    Gisla erinnerte sich vage daran, dass der Frieden zwischen Nordmännerland und Frankenreich einmal für kurze Zeit in Gefahr gewesen war. Rollo unterstützte damals den Heiden Rögnvald, der die Bretagne heimsuchte, und Rudolf, König der Franken, überschritt daraufhin mit anderen Grafen die Epte und metzelte Rollos Truppen nieder. Zunächst war das Kriegsglück auf seiner Seite, dann kämpfte Rollo entschieden um sein Leben und sein Land. Am Ende überwog auf allen Seiten die Angst vor einem Blutbad, und die Truppen legten ihre Waffen nieder.
    »Was ist geschehen?«, fragte Gisla.
    »Wir mussten fliehen und haben einen Winter im Wald zugebracht. Später sind wir zurückgekehrt, aber die Ernte fiel künftig mager aus. Die nächsten Winter mussten wir nicht mehr im Wald verbringen - aber hart waren sie dennoch. Runa wurde krank, sie rang lange mit dem Tod, schlug ihn zwar zurück, aber war danach nie mehr so stark wie einst.«
    Gisla lächelte traurig. »Sie war eine Kämpferin. Sie war stur.«
    »Sie blieb von der Krankheit gezeichnet. Taurins Ruf als Einsiedler hatte sich verbreitet. Einmal kam eine Gruppe Mönche aus Jumièges, jenem großen Kloster, das von den Nordmännern zerstört wurde und dessen Wiederaufbau Rollo befahl. Sie luden Taurin ein,
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