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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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können, was ihr zugestoßen war? Wie es ihr verschweigen?
    In den Briefen, die sie sich schrieben, war es leichter, sich dem Trugschluss hinzugeben, dass Gisla noch die Alte und alles so gekommen war, wie sie es geplant hatten.
    Aus dem armseligen Kloster wurde dank Fredegards Gaben ein reiches; es zog mehr und mehr Schwestern an, denen man erzählte, Gisla sei eine Verwandte des Königs. Fredegards Schenkungen galten als Beweis der hohen Herkunft - und als einer der Gründe, um sie schließlich zur Äbtissin zu machen.
    Sie lebte fortan ein vorbildliches Leben ohne Laster. Die neue Äbtissin war ruhig, unaufdringlich und dennoch bestimmt. Sie neigte nicht zu Gefühlsausbrüchen und ließ sich nicht zu unsittlichen Verfehlungen hinreißen.
    Gislas Körper blieb zwar schwach und kündete bis zum Ende ihres Lebens von der erlittenen Auszehrung, aber der Körper zählte in einem Kloster nicht - und ihr Geist war gestählt von der harten Zeit, die sie mit Runa zusammen durchgemacht hatte. Die Entscheidung, Arvid bei Runa zurückzulassen und selbst aus der Welt zu fliehen, tat ihr Übriges.
    Für die Sicherheit und den Frieden, die sie im Kloster fand, wollte Gisla einen hohen Preis bezahlen - den Preis, niemandem ihr Leid zu zeigen. Sie trug es allein, und sie trug es entschlossen. Es blieb jedoch immer etwas, das fehlte. Sie stellte sich vor, wie groß Arvid nun war und wie er wohl aussah, und sie weinte lautlos, weil Runa ihn beschützen durfte - sie aber niemals die Möglichkeit dazu haben würde.
    Die erste Schneedecke schmolz wieder. Bevor die zweite das Land bedeckte, schwerer und erstickender als diese, kam ein Mann vorbei, um die Abgaben einzutreiben. Alfr war zu diesem Zweck zurückgekommen und feilschte um deren Höhe - mit Erfolg. Statt vierzehn Scheffel Getreide gab er am Ende nur zehn, statt vier Ferkel nur zwei, auf die Hühner wurde ganz verzichtet, an ihrer statt bekam der Mann noch eine Metze Leinsamen und eine Metze Linsen.
    Audinga war glücklich, denn als das Land noch den Franken gehört hatte, hatte man bei den Abgaben nie feilschen können. Warum es jetzt möglich war, wusste sie nicht - vielleicht war es bei den Nordmännern üblich, eine Summe nicht so genau zu nehmen, vielleicht war Alfr einfach nur ein furchteinflößender Mann, den niemand gegen sich aufbringen wollte.
    Kurz nachdem der Mann, der die Abgaben eingetrieben hatte, wieder gegangen war, trieb es auch Alfr wieder in die Wälder zu seinen Gefährten und zum Met. Audinga war erleichtert, ihre Kinderschar und Runa auch. Sie erwartete, dass sie irgendwann ähnliche Unrast befallen würde wie Alfr, denn wie er war sie ein unstetes Leben gewohnt. Doch die Hütte wurde ihr nie zu eng, solange Arvid wuchs und sie genug Arbeit hatte.
    Auch wenn es über die kalten Monate nichts zu säen, zu ernten und zu dreschen gab, fand sie Aufgaben, die zu erledigen waren.
    Als die Schneedecke im Frühling von bräunlichen Flecken beschmutzt wurde, beschloss Audinga, das Haus zu verlassen und mit Runa den Wochenmarkt im nächsten größeren Dorf zu besuchen. Sie war schon lange nicht mehr dort gewesen und nicht sicher, ob in der Gegend überhaupt noch Menschen lebten, aber unter den ersten warmen Sonnenstrahlen erwachte die Neugier, es herauszufinden.
    Und ja, es gab noch Menschen. Der Wochenmarkt, der wie immer am Freitag stattfand, war ein belebter Ort, wo munter fränkische Worte mit denen der nordischen Sprache vermischt wurden. Audinga hatte Hühner dabei, die an den Beinen zusammengebunden waren und aufgeregt gackerten, Eier, die diese in den letzten Tagen gelegt hatten, und sie tauschte beides gegen die Waren des Töpfers und des Schmieds.
    Was auch getauscht wurde, waren Neuigkeiten. Rollo, so erfuhren sie, hatte mittlerweile die meisten vagabundierenden Banden verjagt und warb fränkische Bauern an, sich im Süden seines Landes anzusiedeln, denn die Nordmänner blieben lieber an den Küsten.
    Der Lärm des Wochenmarktes machte Runa zu schaffen. Seit langem hatte sie nicht mehr so viele Menschen an einem Ort versammelt gesehen. Doch es gefiel ihr, dass niemand nach der Herkunft und Vergangenheit des anderen fragte, dass jedem einzig daran gelegen war, sich aus den Trümmern des alten Lebens eine Zukunft aufzubauen, und dass alle der Meinung waren, ein Land, in dem es keine Kriege mehr gab, aber einen starken Herrscher, böte gute Möglichkeiten dazu.
    Von nun an gingen sie regelmäßig zum Markt.
    Als die Schneedecke endgültig schmolz, der
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