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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe
Autoren: Michael Moorcock
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hinunterstiegen.
    Überall waren die Spuren des Kampfes zu sehen, überall klebte Blut. Jedoch keine Leichen und kein Gral.
    Wo war der Heilige Gral? Alles wies darauf hin, dass er nicht aus Bek entfernt worden war. Oder hatte Klosterheim ihn irgendwie doch noch an sich genommen?
    Oona winkte und gab mir zu verstehen, ich solle auf sie warten, während sie sich im verlassenen Schloss umschaute.
    Wieder spürte ich Elrics Hand auf der Schulter, eine liebevolle brüderliche Geste.
    »Wir müssen Klosterheim finden.« Ich wollte schon wieder die Treppe hinauf.
    »Nein!«, widersprach Elric entschieden.
    »Warum nicht? Es ist meine Pflicht, ihn zu verfolgen«, sagte ich.
    »Ich werde Klosterheim verfolgen«, erwiderte Elric. »Wenn ich Erfolg habe, wirst du ihn nie wiedersehen. Ich kehre nach Melnibone’ zurück. Die jungen Drachen haben gute Arbeit geleistet und müssen belohnt werden.«
    »Und Oona? Deine Tochter?«
    »Die Tochter der Traumdiebin bleibt hier.« Sein Mantel gab ein kaltes Knacken von sich, als er sich plötzlich umdrehte und zur Treppe ging, um die Waffenkammer zu verlassen. Ich wollte ihn bitten, bald zurückzukehren. Es gab so vieles, für das ich ihm danken wollte. Aber andererseits hatte ich auch ihm geholfen. Wir hatten uns gegenseitig unterstützt. Ich hatte ihn aus dem ewigen Schlaf erweckt und er hatte dem Krieg die Wende gebracht. Die Luftwaffe war zerstört. Durch den Mut einiger weniger Kämpfer und mit der Hilfe einer mächtigen Legende.
    Großbritannien würde sich erholen. Amerika würde den Briten helfen. Eines Tages würden die Faschisten vertrieben, sie würden ihre Macht verlieren und die Demokratie würde wiederhergestellt werden.
    Doch bis dieser Augenblick kam, musste noch das Blut von Millionen vergossen werden. Es war schwer zu erkennen, wer überhaupt einen Nutzen aus diesem schrecklichen Konflikt zog.
    Ich sah mich hilflos in der alten Waffenkammer um. Also hatte es hier einen heftigen Kampf geben. Wie würde es sich anfühlen, wenn ich eines Tages wieder hier lebte?
    Wie viel ich verloren hatte, seit Gaynor mir auf Bek den ersten Besuch abgestattet hatte! Als er versucht hatte, mir das Rabenschwert abzunehmen, um die Tochter meines Doppelgängers zu töten! Ich hatte in gewisser Weise ganz sicher meine Unschuld verloren. Und ich hatte Freunde und Diener verloren. Und einen Teil meiner Selbstachtung.
    Was hatte ich gewonnen? Das Wissen um andere Welten? Weisheit? Schuldgefühle? Eine Chance, die Geschichte in neue Bahnen zu lenken und der Tyrannei der Nazis ein Ende zu setzen? Viele sehnten sich danach, dies zu tun. Die Umstände, das Blut und die Zeit hatten mich in die Lage gebracht, das Kriegsglück zugunsten der Feinde meines Landes wenden zu können.
    Die Schuldgefühle wuchsen noch, als die Bombenangriffe der Alliierten zunahmen. Köln, Dresden, München. All die schönen alten Städte unserer goldenen Vergangenheit wurden in Trümmer gelegt und waren nur noch bittere Erinnerungen. Genau wie wir den Stolz und die Erinnerungen anderer Nationen in Stücke gesprengt und die Toten besudelt hatten. Und wozu?
    Was wäre, wenn diese Schmerzen, diese Schmerzen der ganzen Welt, aufgehoben werden konnten? Durch einen einzigen Gegenstand? Durch den Gegenstand, den man den Runenstab, den Heiligen Gral oder Finns Zauberkessel nannte - den Gegenstand, der in seiner Umgebung ein Feld von Frieden und Gleichgewicht erschuf. So sicherte er sein eigenes und das Überleben des ganzen Multiversums.
    Wo war es, dieses Wundermittel, das den Kummer ganzer Nationen heilen konnte?
    Wo war es, wenn nicht in unseren Herzen?
    In unserer Phantasie?
    In unseren Träumen?
    War alles, was ich in Mu Ooria erlebt hatte, nur ein komplizierter, aber letztlich doch unwirklicher Albtraum gewesen, in den mich die Tochter der Traumdiebin gelockt hatte? Eine Illusion von Magie, vom Gral, vom unendlichen Leben? Einst hatte ich nicht an den Eigenschaften des Grals oder an seiner Macht, das Gute zu fördern, gezweifelt. Jetzt aber fragte ich mich, ob dieser Gegenstand wirklich eine Kraft war, die zum Guten führte. War er vielleicht doch nur für sich selbst da und kümmerte sich nicht um Fragen, die mit der Moral von Sterblichen zusammenhingen?
    Hatte Gaynor Recht? Verlangte der Gral wirklich das Blut von Unschuldigen, damit er wirken konnte? War das die letzte Ironie? Kein Leben ohne Tod?
    Oona kam durch die zerstörte Tür herein, ein Balken Sonnenlicht strahlte hinter ihr. Sie hatte den Bogen und die Pfeile
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