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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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konnten. Es geschah, daß Halblinge sich mit Halblingen anderer Völker paarten (in aller Unschuld, oder weil die Priester es aus Bosheit oder Neugier anordneten), wodurch ein genetisches Durcheinan-der entstand, das die Menschen mit Abscheu erfüllte. Sie fanden eine Vogel-Schlange, einen Rinder-Hund oder eine Robben-Katze widerwärtig. Diese Wesen waren harmlos, aber auch nutzlos und nicht überlebensfähig. Ihr Leben wurde ihren Herren oder ihnen oft selbst zur Last.
    Doch es gab auch Gestalter, die nicht nur mit absonderlichen Paarungen experimentierten, sondern in verborgenen Labo-ratorien Wesen aus Keimzellen züchteten und noch schreck-lichere Geschöpfe hervorbrachten.
    Die grauenerregende Gefiederte-Schlange, die Drachen im Land der Wandlungen, die das Wesen von Adler und Schlange in sich vereinigten, und die Löwen-Adler, die Angst und Schrecken in den Wüsten verbreiteten.
    Sie entflohen den geheimen Orten, paarten sich miteinander, und schließlich entstand ein solches Chaos, daß (so er-zählt man) den Göttern selbst ihre Werke mißfielen, die ihren Widerwillen erregten.
    Es würde zu lange dauern, um von den Kriegen und Unru-hen zu berichten, die folgten. Das Volk forderte einen König aus reinem Menschengeblüt; es gab Kriege zwischen den Söhnen des Affen und dem Schlangen-Volk; das Königliche Haus des Atlas wurde gegründet, und die Sonnenkönige waren seine Priester. Das Haus Atlas erließ schließlich den Befehl, daß keine Halblinge mehr geschaffen werden durften.
    Halblinge durften selbst innerhalb des eigenen Volkes keine Nachkommen zeugen, wenn sie nicht bestimmte Prüfungen bestanden (und es gab nur wenige, die genug Verstand besaßen, sich diesen Prüfungen zu unterziehen). Die Laborato-rien mußten zerstört werden. Der Sonnenkönig verbot für alle Zeiten die Paarung von Menschen mit Halblingen.
    Dafür sprachen gute Gründe. Die Gestalter hatten den Halblingen die schnellere Vermehrung der Tiere gelassen (damit ihre Dienerschaft sich rasch vergrößern sollte). Die Halblinge sahen sehr menschlich aus, vermehrten sich jedoch mit der Geschwindigkeit von Tieren. Ein Halbling aus dem Hunde-Volk konnte vierzig oder fünfzig Söhne und Töchter in die Welt setzen, während die drei oder vier Kinder eines Menschen heranwuchsen und erwachsen wurden.
    Die Priester erkannten sehr wohl, daß sie sich bald zahllosen Tier-Menschen gegenübersehen würden, denen der notwendige Verstand fehlte, etwas zu lernen oder sich Regeln zu beugen. Es würde Massen geben, die nichts weiter sein konnten als Sklaven. Viele aus der Priesterschaft und das Haus Atlas sahen diese Gefahren sehr deutlich, doch andere vertraten die Meinung, die Menschen sollten über alle Tierwesen und Halblinge herrschen. Die Menschen waren nicht verpflichtet, ihnen die Menschen-Rechte einzuräumen oder sie auch nur menschenwürdig zu behandeln.
    Zu dieser Zeit lebte im Tempel der Nacht eine große Priesterin, die sich – wie ihre Mutter und Vormütter – Königin der Nacht nannte. Wie bei all diesen Königinnen war ihr eigener Name längst in Vergessenheit geraten. Sie hatte sich einen Liebhaber aus dem Schlangen-Volk genommen – wie viele der Sternenköniginnen – und ihm drei königliche Töchter geboren. Als das Große Haus Atlas den Befehl erließ, der jede Paarung mit Halblingen verbot, wurde sie sehr zornig. Doch sie fügte sich in scheinbarem Gehorsam. Sie willigte sogar ein, sich mit dem Thronerben zu vermählen, einem stillen und frommen jungen Mann namens Sarastro.
    Der Große Atlas war alt und lag im Sterben. Sie sollte Sarastro einen Erben schenken, in dessen Adern das Blut der beiden Herrscherhäuser von Atlas-Alamesios floß: der Große Tempel der Mutter der Nacht und das Königliche Haus der Sonne.
    Die Ehe wurde im Tempel des Lichts geschlossen, und ein Jahr später gebar die Sternenkönigin ein Kind: eine Tochter, die den Namen Pamina erhielt. Diese Tochter, Thronerbin der Sternenkönigin und Thronerbin im Haus des Lichts, würde den Thron von Atlas-Alamesios besteigen. Dann (so dachte die Sternenkönigin) sollte Pamina all das für null und nichtig erklären, was die Sternenkönigin für eine Schwäche und Torheit des Großen Atlas hielt.
    Aber der Bund zwischen dem Priester des Lichts und der Priesterin der Alten Göttin der Dunkelheit konnte nicht von Dauer sein. Im zweiten Jahr ihrer Ehe, noch ehe Pamina der Mutterbrust entwöhnt war, kam es zwischen Sarastro und der Sternenkönigin zum Streit. Sarastro duldete
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