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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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zusammen-gepackt: das Bündel mit den spärlichen Resten Trockenfleisch und den Wunderdatteln, seinen Mantel, den er sich sorgfältig um die Hüfte band, den Bogen und die wenigen übriggebliebenen Pfeile und das kurze, kräftige Messer, das er am Gürtel trug – weniger eine Waffe als ein nützliches Werkzeug, um Tiere zu häuten oder um Brennholz zu schneiden.
    ∗ ∗ ∗
    Er machte sich auf den Weg zur Oase. Nach dreißig Tagen war Tamino zäh und ausdauernd geworden und schritt munter aus. Die trockenen, dornigen Sträucher zerkratzten ihm die Beine, obwohl er sie mit einer alten Tunika umwickelt hatte, und behinderten ihn. Seltsamerweise wuchsen jetzt viele Büsche. Am Tag zuvor waren sie so spärlich gewesen wie alles Leben in dieser Wüste. Er betrachtete sie neugierig.
    Sie waren kräftiger und nicht mehr so stachelig, eine andere Art Strauch, mit Dornen anstelle von Stacheln und sogar Blättern. Blätter… grüne Blätter in der unfruchtbaren Wüste?
    O ja, Blätter! Grüne Blätter mit rauhen Unterseiten und ge-zackten und gezahnten Rändern. Und es war auch nicht mehr dieses niedrige Gestrüpp, sondern Büsche mit langen, rötlichen Ranken, an denen… Tamino blieb einen Augenblick stehen und fragte sich wieder, ob ihn seine Augen trogen… viele reife schwarze Beeren hingen.
    Er versuchte eine. Sie schmeckte wie andere Beeren auch, vielleicht ein bißchen süßer als die meisten. Oder lag das nur daran, daß er in letzter Zeit so wenig zu essen hatte? Tamino bahnte sich einen Weg durch die immer dichter wachsenden dornigen Büsche und pflückte dabei von den reifen Beeren, die auch seinen Durst löschten.
    Inzwischen wanderte er bereits durch dichtes Unterholz, und plötzlich hörte er ein Krachen und Knacken. Vor Taminos erstaunten Augen sprang eine Gazelle über eine Lichtung und verschwand, während er ihr immer noch nach-starrte.
    Verdutzt und ärgerlich legte er die Hand über die Augen. Er hätte seinen Bogen schußbereit haben müssen. Aber wie konnte er in der Wüste auf eine Gazelle hoffen?
    Befand er sich überhaupt noch in der Wüste? Von seinem Aussichtspunkt auf dem Felsen hatte er nur das kahle, leere Land gesehen, in dem er am Abend zuvor eingeschlafen war.
    ∗ ∗ ∗
    Inzwischen erinnerte es mehr an einen Dschungel. Der Boden unter seinen Füßen war eindeutig weicher, und nach einer Weile hörte er ein sanftes unmißverständliches Glucksen unter den Stiefeln.
    Das Land der Wandlungen?
    Lange ehe er die Oase erreichte, die er vom Felsen zu sehen geglaubt hatte, kam Tamino an einen kleinen Teich, den eine kristallklare Quelle speiste. Dort machte er Rast, tauchte das staubige, erhitzte Gesicht ins Wasser und löschte zum ersten Mal seit vielen Tagen seinen Durst.
    Die Furcht, dies sei alles nur ein wirrer Traum, verließ ihn nicht. Tamino war zwanzig Jahre alt und noch nie im Leben in einem Land gewesen, in dem wie von Zauberhand Dattelpalmen wuchsen, oder wo die Wüste sich plötzlich in einen Sumpf verwandelte – genauer gesagt, ein Land, das er als Wüste gesehen hatte und das sich als Sumpf entpuppte.
    Aber er war auch noch nie durch das Land der Wandlungen gereist!
    Ein Rascheln am anderen Ufer des Teichs erregte Taminos Aufmerksamkeit. Er nahm den Bogen von der Schulter.
    Drüben näherte sich eine kleine Herde schulterhoher Antilopen mit langen, geschwungenen Hörnern dem Wasser und senkte die Köpfe, um zu trinken.
    Tamino hielt einen Augenblick inne, ehe er schoß. Nach einem Monat karger Rationen glaubte er bereits das köstliche Fleisch einer knusprigen Antilopenkeule zu schmecken.
    Doch wenn er sein Ziel am nächsten oder übernächsten Tag erreichte, konnte er unmöglich soviel Fleisch verzehren. War es richtig, wegen ein oder zwei Mahlzeiten ein Tier zu töten und so viel zu verschwenden?
    Oder… er warf noch einmal einen Blick hinüber… standen dort wirklich Antilopen? Seine Augen mußten ihn getäuscht haben. Er zielte auf eine kleine Gazelle. Sie ging ihm wahrscheinlich gerade bis zu den Knien, und Tamino war nicht besonders groß. Soviel Fleisch konnte er bestimmt verzehren. Kurz entschlossen ließ er die Sehne los, und der Pfeil schwirrte durch die Luft.
    Die Gazelle fiel lautlos zu Boden. Der Pfeil hatte sie direkt ins Herz getroffen.
     
    Drittes Kapitel
    Tamino lief schnell zu der Stelle, an der er die Gazelle hatte stürzen sehen und stolperte dabei über Wurzeln und Ranken, die er bis jetzt nicht bemerkt hatte. (Waren sie überhaupt da gewesen?) Als er
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