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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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sich mit einem pneumatischen Seufzen nach innen und kollidierte mit einem ziemlich formlosen Gegenstand in der Ecke, der – wie Claude sofort wußte – vorher nicht dort gewesen war.
    »Eva!«
    Sie erhob sich steif aus ihrer etwas verkrampften Sitzhaltung.
    »Ich bin als Blinder Passagier mitgekommen«, sagte sie. »War das sehr unrecht von mir, Liebster?«
    Claude seufzte. »Was ist unrecht? Was ist recht? Jedenfalls sind wir hier.«
    Sie traten durch die Kabinentür.
    Der Tag war ein Aufruhr aus Sonnenschein und kühlen Brisen. Claude schnüffelte und untersuchte seine Umgebung.
    Er war in einer Stadt. Rings um ihn ragten hohe, schlanke Gebäude auf. Sie waren umkränzt von Insektenschwärmen winziger Flugzeuge, und auf beweglichen Bürgersteigen drängten sich Menschenmassen. Claude beobachtete die Leute. Sie schienen seltsam ähnlich, als wären sie nur eine Person, die sich tausendfach spiegelte und widerspiegelte. Sie waren ohne Ausnahme ohne jeden Ausdruck. Sie starrten auf winzige Boxen mit Antennen, die ihnen vom Hals hingen.
    »Liebst du mich?« fragte Eva.
    »Ja und nein«, antwortete Claude ausweichend und beschleunigte seine Schritte.
    Dann blieb er stehen. Ein paar Löwenzahnblüten waren zu seinen Füßen. Er pflückte eine davon.
    Im gleichen Augenblick stieß ein Flugzeug aus dem Himmel herab und landete neben ihm.
    Die Tür des Flugzeugs öffnete sich. In ihm war niemand.
    »Name?«
    »Claude Adams. Und der Ihre?«
    »Adresse?«
    »Ich fürchte, im Augenblick habe ich keinen festen Wohnsitz.«
    »Sie sind verhaftet. Wir halten Sie wegen 703-A fest.«
    »703-A?«
    »Ganz richtig. 703-A. Wißbegierde.«
    Claude war plötzlich nicht mehr imstande, seine Füße unter Kontrolle zu halten. Sie transportierten ihn von selbst in die Kabine. Er setzte sich. Die Tür schloß sich. Das Flugzeug erhob sich in die Lüfte.
    »Ich hol dich heraus«, rief Eva von weit unten. »Mach dir keine Sorgen! Ich werde mit jemandem reden!«
    Ihre Stimme verhallte in der Ferne.
    Claude stopfte ein wenig Shag-Tabak fest – der letzte Rest seiner Vorräte – streckte sich auf der faserigen Pritsche aus und versuchte nachzudenken.
    Ohne Zweifel war dies ein Gefängnis, obwohl es einem Gefängnis nicht ähnlich sah. Es gab keine Gitterstangen, nur einen seichten Graben, den man leicht überspringen konnte, und dann eine Andeutung von Askese im Mobiliar, und beides zusammen suggerierte das Prinzip von Gefangenschaft.
    Ein halb unterdrücktes Schluchzen war zu hören.
    Claude drehte sich um und sah, daß er nicht allein war. Ein jüngerer Mann saß verzweifelt in einer Ecke und drehte an den Knöpfen eines Fernsehgeräts, dessen Bildröhre dunkel blieb.
    »Was haben Sie denn für Schwierigkeiten?« fragte Claude aufgeschlossen.
    »Der Fernseher«, stöhnte der Mann. »Er funktioniert nicht.
    Verstehen Sie? Er funktioniert nicht!«
    In dem Augenblick war ein hohles Lachen zu hören.
    In einer anderen Ecke erhob sich ein älterer Mann. Er war bärtig. »Er wird auch nie funktionieren«, kicherte er.
    Der junge Mann wandte sich zornig dem bärtigen Herrn zu, und Claude wandte sich ab und wunderte sich. Nachdem sich die Unruhe gelegt hatte, wandte er sich dem bärtigen Mann zu.
    »Sagen Sie mir etwas über diese Zivilisation«, sagte er. »Ich scheine so etwas wie Amnesie zu haben.«
    »Was gibt es da zu sagen?« meinte der bärtige Mann und zuckte die Achseln. »Als vor fünfzig Jahren die Meister vom Mars hier auftauchten, haben sie den Krieg abgeschafft, alles Leid, Verbrechen, Krankheit und Arbeit. Anscheinend bezahlten sie damit für einen Gefallen, den ein Erdenmensch ihnen einst erwiesen hat. Seit damals leben wir vom Fett des Landes. Die Große Maschine lenkt alles…«
    »Die Große Maschine?«
    »Ein hochgradig komplizierter Mechanismus«, sagte der Bärtige, der langsam warm zu werden begann. »Kybernetik und all solch Zeug. Dieser Mechanismus hat die Nervenindizes eines jeden menschlichen Geschöpfs auf der Erde gespeichert – er kann einem das Gehirn ausdampfen, wenn man vom Weg abkommt. Nicht nur das, sondern der Mechanismus dient auch als elektronische Matrix jeder Struktur auf dem Planeten. Ohne die Große Maschine, Freund, würde es hier ringsum kein molekulares Gebilde geben, das groß genug wäre, daß man es anspucken könnte.«
    »Hmm«, sagte Claude.
    Er fuhr fort nachzudenken.
    Eva kam am folgenden Tag zu ihm. Er entdeckte sie, wie sie langsam über den glatten grünen Rasen schlenderte.
    »Eva!«
    Sie blieb
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