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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Jubiläumsbankett der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler gehalten wurde.
    Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, wir Angehörigen der älteren Generation haben dem größten Teil der Mitglieder dieser Vereinigung den Vorteil voraus, daß wir mit eigenen Augen die ungeheuren Ereignisse miterlebten, die die Welt in das verwandelt haben, was sie heute ist. Wir können uns an das, was viele von Ihnen nur als Geschichte kennen, aus eigener Anschauung der Realität erinnern. Ich bin daher sicher, daß ich Sie mehr als Augenzeuge und nicht so sehr als Astrophysiker von einigermaßen obskurem Ruf interessiere, und so werde ich Ihnen einfach mit meinen eigenen Worten und so gut ich kann mit dem Empfinden des Augenzeugen schildern, wie diese erstaunlichen und dramatischen Ereignisse sich abgespielt haben.
    Wie Sie wohl wissen, begann alles im Winter 1949/50. Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, was ich damals gerade tat, aber Sie werden mit mir sicher darin übereinstimmen, daß dies das Jahr war, in dem sich die großen Sorgen bezüglich der Plutoniumbombe, die man damals einfach die ›Atombombe‹ nannte, zu legen begannen. Die Atomenergie-Kommission (AEC) war endlich gegründet worden; man hatte ihr alle Bomben und sämtliche Vorräte an Uran, Thorium und Plutonium unterstellt und alle Bergwerksanlagen, Meiler und sonstigen gefährlichen Anlagen dem Zugriff nationalistischer Kräfte entzogen. Selbst die Sowjetunion war zufrieden, obwohl es für die Rolle, die wir in der Iranaffäre gespielt hatten, viele Kritiker gab.
    In den Vereinigten Staaten war die Produktion endlich in Gang gekommen. Man hatte die Inflation gebremst, und es gab wieder reichlich Lebensmittel und Stahl. Es kam immer noch zu Streiks, aber man betrachtete diese eher als Nachwirkungen, die noch auf die große Erschütterung zurückreichten, und weniger als Vorboten bestehender Schwierigkeiten. Schließlich gab es zum erstenmal seit vielen Jahrzehnten wieder keinerlei drohende Wolken am Horizont.
    Und doch war die Gefahr da, verborgen, vor jenen Männern getarnt, die am intimsten mit ihr in Verbindung standen. Schneider, der damals geduldig mit seinem Massenspektrographen in Chicago tätig war und emsig, Atom für Atom, das seltene Isotop 204 des Bleis aufhäufte. Und Ordway, hier im Institut im Labor für organische Chemie, der Fettsäuren und Kohlewasserstoffketten mischte und suchte und suchte.
    Wußte er, worauf er aus war? Was hätte er gesagt, wenn jemand ihn gefragt hätte? Nun, ich weiß es, weil ich ihn fragte.
    Es war während der Weihnachtsferien 1949. Ich hatte in der Bibliothek des Chemie-Instituts einiges gelesen und war in sein Labor gegangen, um ihn zu einem Spaziergang und einer mitternächtlichen Tasse Kaffee zu überreden. Er wollte nicht, aber wir unterhielten uns ein wenig über seine Arbeit.
    »Es ist eine organische hydropolare Säure«, erklärte er. »Sie bildet Kettenmoleküle, die mit Bezug auf Wasser eine Vorzugsorientierung aufweisen.«
    »Wie werden Sie die Substanz nennen?« fragte ich.
    »Nun, man kann ihr eigentlich noch keinen Namen geben, weil ich sie eigentlich noch nicht gefunden habe«, räumte er ein. »Aber wenn es soweit ist, dann wird es wahrscheinlich…«
    – er zögerte – »so etwas wie zetylsulfonische Säure sein.« »Aha«, sagte ich eilig. »Z-Säure abgekürzt, was?« Dr. Ordway nickte zufrieden und malte sich offenbar den monumentalen Namen als einen Titel in einer Fachzeitschrift aus.
    »Aber was bewirkt sie?« drängte ich. »Das heißt, welche Eigenschaften hat sie?«
    »Da bin ich noch nicht sicher, aber ich hoffe, daß sie vielleicht praktischen Wert haben wird. Sehen Sie, ein hydropolares Molekül schließt sich sehr eng an Wasser an. Meine Hoffnung ist, daß es, wenn ich die Struktur richtig hinbekomme, einen dünnen Film bilden wird. Einen monomolekularen Film, der sich wie eine zähe Haut über eine Wasseroberfläche legt und die Gasabsorption verhindert, oder die Verdunstung, oder jede andere Übertragung vom oder zum Wasser hin.«
    Ich mußte ihn mit ziemlich glasigen Augen angesehen haben, denn er beeilte sich, in seiner Erklärung fortzufahren.
    »Das würde zu ungemein wichtigen wirtschaftlichen Resultaten führen. In den chemischen Prozessen – der Ölraffinerie oder der Papierherstellung beispielsweise oder selbst in Reservoiren und Bewässerungsgräben, um die Verdunstung zu vermeiden – , es gibt tatsächlich keine Grenzen dessen, was das Molekül bewirken
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