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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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war schließlich Öl, überlegte er, und er konnte ja schließlich eine in Not geratene Dame nicht einfach im Stich lassen.
    Außerdem war seine Neugierde geweckt.
    In klinisch distanzierter Haltung machte er ein kleines Loch hinten an ihrem Hals ausfindig, das von ihrem strähnigen Haar halb verdeckt war. Während sie dankbar wimmerte, quetschte er eine großzügige Ladung Öl in ihr Inneres.
    Das Resultat stellte sich sofort ein.
    Das Ding richtete sich mit einiger Grazie auf und wurde eine Frau. Sie lächelte, brachte einen Kamm zum Vorschein und zerrte ihn durch ihr wirres Haar. Ihre Haut straffte sich über dem Metall, und ihre Augen leuchteten.
    »Brrrkl«, schnurrte sie und versuchte, sich an ihn anzuschmiegen.
    Er schob sie von sich. »Die Verwandlung ist noch nicht vollkommen«, sagte er streng und musterte sie mit einigem Ekel. »Du mußt versuchen, dich etwas zu zügeln, meine Liebe.«
    Sie schien enttäuscht, faßte sich aber schnell. Sie deutete nach Westen, hüpfte auf ihren frisch geölten Gliedern einfach auf und ab und versuchte ihm durch Gesten verständlich zu machen, daß er sie begleiten sollte.
    »Was kommt jetzt?« fragte Claude den Sonnenschein und das Schweigen.
    Er folgte ihren munteren Sprüngen über die Wiesen. Dabei stellte er fest, daß sie in dem Maße, wie sich das Öl in ihr verbreitete, immer hübscher wurde.
    »Die Morgendämmerung der Menschheit«, sinnierte Claude.
    Und dann hörte er plötzlich Musik. Sein geschultes Ohr erkannte die weichen Klänge von Lauten, unendlich traurig, unendlich melancholisch.
    Sie überwanden eine kleine Hügelkuppe und da waren sie. Musiker, daran war kein Zweifel. Aber was für eine Art von Musikern? Vor ihm, auf einer kleinen Lichtung, am Ufer eines reglosen Sees, war die seltsamste Ansammlung von Geschöpfen, die er je gesehen hatte. Sie lagen alle in verschiedenen hingestreckten Positionen im angenehmen Gras, Symbole der Entspannung. »Was ist das?« flüsterte Claude. »Wer sind diese Leute?«
    »Brrrkl.« Der Arm des Androiden hob sich (immer noch mit einer gewissen Steifheit am Schultergelenk), und ein Finger deutete summend.
    Claude sah hin und hätte beinahe die Fassung verloren. Da war ein Schiff, gefährlich zur Seite geneigt; sein nacktes Metall war von großen Rostflecken überwuchert, sein Glas trüb, und seine einstmals bunte Lackierung von der Sonne ausgebleicht.
    Die elegische Musik schien leicht zu zittern: die Noten lösten sich schwankend aus den herzförmigen Lauten und hingen kurz in der Luft.
    Claude ging auf die beweglich wirkende Musikergruppe zu. Abgesehen von Hauttönen, die eher auf Seetang hindeuteten, unterschieden sich diese Leute nur wenig von Menschen. Sie hatten Arme und Beine in der richtigen Zahl. Aber Claude hatte noch nie solche Zerbrechlichkeit gesehen; sie wirkten wie Prozellanfiguren.
    Er achtete darauf, wo er hintrat.
    Eine stumme Stimme sprach zu ihm: Sei gegrüßt!
    Claude nickte. Telepathen, hm?
    Die Gestalten regten sich nicht, abgesehen von den Bewegungen ihrer graziösen Finger auf den silbernen Saiten.
    Die Stimme murmelte in Claudes Geist. Wir sind von dem Pla neten, den ihr Mars nennt.
    Die Musik klang jetzt noch klagender. Einer der grünen Männer lächelte tragisch. Er pflückte eine kleine Blume und brach in Tränen aus. Andere folgten seinem Beispiel.
    Wir waren dabei, das Sonnensystem zu erforschen, als unser Fahrzeug auf die Erde stürzte. Es war… schrecklich. Und jetzt sind wir hier.
    Claudes Stimmung heiterte sich auf. »Technische Schwierigkeiten?« sagte er.
    Ja. Wir würden gerne irgendwie weiterziehen.
    Claude rieb sich die Hände. »Vielleicht wäre da etwas altmodisches Knowhow am Platze.«
    Du bist so freundlich zu uns. Aber es ist hoffnungslos.
    »Sehen wir erst mal nach.«
    Zwei der Marsianer erhoben sich seufzend von dem grasbewachsenen Hügel. Claude schien es, als wären sie fast durchsichtig. Sie gingen auf das Raumschiff zu.
    »Laßt mich einfach ein wenig herumstöbern«, sagte Claude und trat ein.
    Im Inneren war ein Durcheinander von Spulen, Röhren, Knöpfen, Skalen und Antennen. Claude schüttelte den Kopf.
    Dann fiel ihm in der untersten Etage etwas auf.
    Es handelte sich ganz offensichtlich um einen Ofen.
    Daneben befand sich ein mächtiger Stapel Holz.
    »Ah«, sagte er. Es war das teuflisch raffinierteste Gebilde, das er je gesehen hatte. Das Schiff funktionierte nach dem absurd einfachen – und daher genialen – Prinzip der äußeren Verbrennung oder spontanen
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