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Tisch für drei

Tisch für drei

Titel: Tisch für drei
Autoren: Lindsay Gordon
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Badezimmer, an dem noch der duftende Schaum von seiner morgendlichen Rasur hängt. Und es gibt da diese kleinen Nachrichten, die er ihr hin und wieder morgens hinterlässt, und auf die sie sich trotz ihrer Sachlichkeit freut:
    Liebes Zimmermädchen,
    könnte ich heute Morgen bitte einige zusätzliche Beutel schwarzen Tee bekommen?
    Danke, JT
    Guten Morgen,
    bitte lassen Sie die Sonntagszeitungen noch liegen, da ich sie noch nicht ganz gelesen habe.
    Vielen Dank, JT
    Hallo,
    ich habe in meiner Tollpatschigkeit die Kaffeekanne zerbrochen, was mir sehr leid tut. Könnten Sie sie bitte ersetzen und die Kosten auf meine Rechnung schreiben?
    MfG, Jacob T.
    Sie weiß nicht, wofür das »T« steht, und auch nicht, ob Jacob Brite ist oder einer anderen Nationalität angehört – er könnte auch Deutscher sein. Doch seine Ausdrucksweise ist irgendwie englisch – findet sie. Ihrer Meinung nach hat sie sogar etwas Aristokratisches an sich. Wer immer er auch ist, er strahlt Reichtum und Statusbewusstsein aus.
    Sie bewahrt die Nachrichten auf und legt sie zu Hause in ihrer Einzimmerwohnung auf ihren Frisiertisch. Häufig sitzt sie da vor dem Spiegel, starrt ihr Spiegelbild lange Zeit an und fragt sich, wie sie so einsam werden konnte. Früher in Polen war sie doch sehr beliebt und hatte an der Uni viele Liebhaber und Freunde. Doch die sind immer noch dort, während sie hier ist, in dieser irrsinnig großen Stadt, in der sie sich einfach nicht zurechtfindet. All diese Menschen, und keiner von ihnen kennt sie. Natürlich gibt es da ihre Cousine, aber die ist verheiratet und hat kleine Kinder, von daher bleibt nur wenig Zeit, um sich mal zu treffen. Manchmal geht Marta zum Mittagessen in ihre Wohnung, doch wenn sie dann zurück in ihr leeres Apartment kommt, fühlt sie sich nur noch schlechter. Sie hat hin und wieder versucht, mit ihren Arbeitskolleginnen im Hotel Freundschaft zu schließen, aber sie scheinen nicht interessiert zu sein – sie wollen einfach nur herkommen, ihren Job machen, ihren Lohn kassieren und wieder zu ihren Familien zurück. Da sie nicht gern in Bars geht und sich von Fremden ansprechen lässt, gehen ihr so langsam die Ideen aus.
    Sie weiß, dass sie gut aussieht, vielleicht sogar schön ist, und sie glaubt, dass sich Jacob sogar in sie verlieben könnte, falls sie sich jemals begegnen würden. Aber er ist nie da, wenn sie seine Suite betritt, und wie viel Zeit sie dort auch verbringt und sich Aufgaben ausdenkt, die noch zu erledigen sind, so kommt er nie zurück, bevor sie wieder verschwunden ist. Offensichtlich ist er ein viel beschäftigter Mann.
    Sie hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass niemand genau sagen konnte, wie lange sie für ihre täglichen Aufgaben brauchen würde, da jedes Zimmer und jede Suite in diesem Hotel von einem Zimmermädchen allein versorgt wird. Und falls jemand fragen würde, konnte sie einfach übertreiben und behaupten, in Jacobs Suite gäbe es so viel zu tun. Schließlich war sie auch die größte des ganzen Hotels. Sie hatte in Gedanken bereits eine Liste der Aufgaben aufgestellt, die sie jeden Tag erledigen könnte und die jedem einleuchten würden: das Bad scheuern, den Badezimmerboden wischen und polieren, den Teppich schamponieren. In Wirklichkeit musste sie diese Dinge so gut wie nie erledigen, da Jacob als Hotelgast ein sehr pflegeleichter Zeitgenosse ist.
    Tatsächlich gönnt sich Marta gern mal was. Sie tut so, als wäre sie reich, als wäre sie eine Frau, die daran gewöhnt ist, in solchen Hotels abzusteigen, in so einer Suite zu wohnen. Sie zieht die Schuhe aus, mixt sich an der Minibar einen Drink – da sie diese selbst auffüllt, fällt dies niemandem auf – und setzt sich in den großen, bequemen Ledersessel vor den Flachbildfernseher, um sich Filme in einem der Satellitenkanäle anzusehen. Sie mag Aussteigerdramen und romantische Komödien. Wenn gerade nichts läuft, was sie sehen will, blättert sie durch die Vogue , den Tatler oder eines der anderen Magazine, die im Zimmer ausliegen. Sie versetzen sie, ebenso wie die Filme, in eine andere Welt.
    In letzter Zeit ist sie allerdings ein bisschen wagemutiger und frecher geworden. Eines Tages, nachdem sie das Badezimmer schnell geputzt hat, sticht ihr die große, tiefe Badewanne ins Auge, und bevor sie es sich selbst ausreden kann, hat sie sie auch schon bis zum Rand volllaufen lassen, um in den wundervollen, nach Sandelholz und Geranien duftenden Schaum einzutauchen. Als sie so daliegt, denkt sie an
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