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Tisch für drei

Tisch für drei

Titel: Tisch für drei
Autoren: Lindsay Gordon
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sitzen. Dann wird ihr klar, dass sie aufstehen, das Zimmer putzen und aufräumen und so schnell wie möglich wieder verschwinden muss. Sie darf nicht mehr hier sein, wenn er zurückkehrt, damit er auf keinen Fall ihr Gesicht sehen kann. Sie geht zurück auf den Gang, holt ihr Putzzeug aus dem Wagen und betritt erneut das Zimmer.
    Jetzt sieht sie die Nachricht auf dem Schreibtisch neben dem Telefon. Sie befindet sich an derselben Stelle wie immer, auf dem weißen Block, und der silberne Kugelschreiber liegt ordentlich daneben.
    Warst du das? , steht da.
    Heute ohne Unterschrift, ohne Namen. Sie gerät in Panik, erledigt ihre Arbeit in Windeseile und hastet aus dem Zimmer. Er muss es erraten haben, er ist ja nicht dumm. Doch die Nachricht, so kurz und wenig mitteilsam sie auch ist, stellt keine Bedrohung dar. Er wird sich nicht bei ihren Vorgesetzten beschweren, dass sich ein Zimmermädchen in seinem Schrank versteckt hat, um ihn auszuspionieren – und das nicht, weil es ihm peinlich ist, was er getan hat, oder zumindest ist das nicht der einzige Grund. Nein, sie spürt, dass das fast schon eine Einladung ist. Aber wozu? Sie weiß, dass sie das nur herausfinden kann, wenn sie die Einladung annimmt.
    Marta geht durch den Regen zur U-Bahn und bleibt an einem Zeitungsstand stehen, um sich eine Tageszeitung und eine Klatschzeitschrift zu kaufen. Sie hasst sich dafür, diesen Müll zu lesen, aber sie weiß, dass ihr eine schlaflose Nacht bevorsteht, eine Nacht, in der Fragen über Fragen in ihrem Hirn herumschwirren, und manchmal kann sie in einem solchen Zustand nur etwas wirklich Triviales ablenken.
    Spontan beschließt sie, lieber den Bus zu nehmen, sucht die Bushaltestelle und schlägt dann die Illustrierte auf, die sie mit einer Hand unter ihrem Regenschirm festhält. Das Klopfen des Regens auf dem Schirm wirkt irgendwie beruhigend auf sie. Vielleicht kann ich ja doch schnell einschlafen, hofft sie, denn die Nacht zuvor hat sie kaum Schlaf bekommen, nachdem sie Jacob befreit hatte und nach Hause gekommen war. Sie ist erschöpft.
    Sie dreht sich kurz um, um auf die Nummer des sich nähernden Busses zu sehen, als eine Wand aus Fernsehern in einem Elektronikmarkt neben der Bushaltestelle ihre Aufmerksamkeit erregt. Auf jedem der Bildschirme ist ein Mann zu sehen, der gestikuliert und sehr ernst und besorgt aussieht. Obwohl sie kein Wort verstehen kann, hat sie das Gefühl, dass er etwas sehr Wichtiges zu sagen hat. Sie senkt den Blick wieder auf ihre Zeitschrift, sieht dann aber doch unwillkürlich wieder zu den Fernsehern hinüber. Da ist irgendetwas an ihm, was ihr vertraut vorkommt, aber sie kann nicht genau sagen, was es ist. Sie kann sein Gesicht nicht zuordnen, aber dennoch glaubt sie, es zu kennen, in einem dunklen Bereich ihres Ichs. Sie mustert seinen Körper, der in einem schicken, gut sitzenden Anzug steckt. Dieser hat dieselbe ungewöhnliche grüne Farbe wie der, den sie gestern zusammen mit Jacobs anderer Wäsche in den Schrank gehängt hat. Sie schluckt schwer. Der Bericht ist zu Ende, und sein Name wird eingeblendet, damit die Zuschauer wissen, wen sie da gerade gesehen haben, falls sie nicht von Anfang an dabei gewesen sind. Jacob Tavenier, Außenminister.
    Ihr Blick wandert die Reihe der Fernseher entlang, und auf jedem Bildschirm sind sein Bild und sein Name zu sehen. Vor ihrem inneren Auge wird darüber seine Nachricht eingeblendet. Er hat sie zu sich gerufen, da ist sie sich jetzt ganz sicher. Er weiß, dass sie diejenige ist, die ihn retten kann.
    Marta rennt zurück zum Hotel und denkt, dass ein interessantes Leben vielleicht doch nicht so toll ist. Dass man immer umgeben von Menschen, immer in Bewegung sein und im Geld schwimmen kann, während man wichtige, entscheidende Dinge tut, und dennoch der einsamste Mensch auf dem Planeten sein kann.
    Sie schlüpft durch die Hintertür, um ihren Kollegen nicht zu begegnen und ihre unausweichlichen Fragen nicht beantworten zu müssen. Sie läuft durch die Küche und nimmt den Lastenaufzug in den achten Stock, wo die Penthouse Suite liegt. Obwohl sie die Schlüsselkarte und ihren Arbeitskittel in der Tasche hat, klopft sie an. Sie ist sich nicht sicher, ob er schon wieder da ist, ob die Fernsehübertragung live oder eine Aufzeichnung gewesen ist.
    Die Tür wird geöffnet, so langsam, dass ihr beinahe das Herz in der Brust zerspringt. Er trägt noch immer seinen Mantel, den Kragen wegen des Regens hochgeschlagen. Sein Haar ist feucht und von dunkelbrauner
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