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Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft

Titel: Tinker-Kate und die geheime Bruderschaft
Autoren: Steve Hogan
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zu der genauen Adresse lotsen.“
    Kate nickte. Das war nicht ungewöhnlich. Die Stadt London wuchs so schnell, dass manche Straßen in den Außenbezirken noch gar keinen Namen hatten. Und East Barnet gehörte zu den Vierteln, die erst vor kurzer Zeit ein Teil des sich immer weiter ausbreitenden Hauptstadt-Molochs geworden waren. Irgendwo mussten die vielen Menschen, die es nach London zog, schließlich leben.
    Der junge Gentleman ließ sich auf der Passagier-Bank nieder und schlug seine langen Beine übereinander. Er trug blank polierte schwarze Stiefel mit Gamaschen. Kate stieg in ihren Führerstand, schob sich ihre Schutzbrille über die Augen und lächelte dem Mann zu. Doch im nächsten Moment gefror das Lächeln auf ihren Lippen. Sie musste sich beherrschen, um nicht laut aufzuschreien.
    Trotz der Nebelschwaden war nämlich soeben ein heller Lichtschein von der nächstgelegenen Gaslaterne auf den linken Ärmel des Fahrgastes gefallen. Deutlich konnte Kate die Blutflecken erkennen. Der dunkle Stoff des Gehrocks war förmlich in roten Lebenssaft getränkt.
    Warum war ihr das vorher nicht aufgefallen?
    Im Hotel war die Beleuchtung teilweise sehr schlecht gewesen. Aber jetzt war es ohnehin zu spät, um sich darüber Gedanken zu machen. Noch befand sich der Polizist Barnes in Hörweite. Kate musste einfach nur wieder aus ihrem Drehflügler springen und Alarm schlagen. Aber sie tat es nicht.
    Kate führte sich vor Augen, dass der Passagier wahrscheinlich brandgefährlich war. Er hatte nichts zu verlieren, denn für die zahlreichen Morde drohte ihm der Tod durch den Strang. Gewiss, Kate konnte sich noch schnell in Sicherheit bringen. Aber was würde dann mit O’Leary geschehen, der von der Gefahr nichts ahnte?
    Wenn sich der Killer in die Enge getrieben fühlte, würde er vielleicht auch den alten Heizer abstechen. Und das war mehr, als Kate hätte ertragen können. O’Leary war nach dem Tod ihres Vaters für sie beinahe so etwas wie ein Familienmitglied geworden. Nein, sie durfte sein Leben nicht riskieren.
    Also schob Kate mit routinierten Bewegungen die Antriebshebel nach vorn. Fauchend wie ein Höllenhund hob sich ihr Dampfkutter langsam von der Straße und stieg bis zu dem von Nebel umgebenen Hoteldach. Bei der schlechten Sicht musste Kate nun doch ihren Kompass zu Hilfe nehmen. Ihr Führerstand war nur spärlich beleuchtet, aber sie hätte sich dort auch in stockfinsterer Nacht nur mit ihrem Tastsinn orientieren können. Zum Glück wurden Kates Augen durch die Schutzbrille verdeckt. Sie war sicher, dass man in ihren Pupillen die Furcht lesen konnte.
    Eigentlich war Kate eine tapfere junge Frau. Sie hatte sich schon mit Droschkenkutschern geprügelt, die größer und stärker waren als sie selbst. Aber es gab doch einen himmelweiten Unterschied zwischen einem angetrunkenen Kutschbock-Krawallbruder und einem eiskalten Serienmörder.
    Kate traute sich nicht zu, mit diesem Kerl fertigzuwerden, obwohl sie immer noch ihren Schlagring unter dem Handschuh hatte. Es gab nur eine Sache, die sie jetzt tun konnte: den unheimlichen Passagier ohne Aufsehen zu seinem Reiseziel bringen und danach so schnell wie möglich die Polizei verständigen.
    Der Dampfkutter wurde von den Nebelbänken eingehüllt wie von einem Kokon. Bald konnte man sogar die von dampfgetriebenen Hochleistungsscheinwerfern angestrahlte Kuppel der St. Paul’s Cathedral sowie die Türme der Westminster Abbey nur noch als verschwommene Schemen erahnen. Diese beklemmende Atmosphäre passte perfekt zu der Tatsache, dass Kate einen mehrfachen Mörder an Bord ihres Dampfkutters hatte.
    „Werden Sie den Weg nach East Barnet in dieser undurchdringlichen Brühe finden, Miss?“
    Kate zuckte zusammen, als sie die Stimme des Passagiers hörte. Er hatte laut gesprochen, damit er trotz des Lärms der Maschine und der Drehflügel verstanden wurde. Eigentlich klang seine Stimme sehr angenehm, sie passte zu seinem gefälligen Äußeren. Aber Kate führte sich vor Augen, dass dieser Mann schon im Hotel gewesen war, als sie The Landmark betreten hatte. Während Kate ihren Dampfkutter umgeparkt hatte, war für ihn mehr als genügend Zeit gewesen, um den Hotelgast aus Zimmer 134 zu ermorden und sich danach im Dienstbotentrakt zu verstecken.
    Aber warum war der Killer nicht schon fortgelaufen, bevor die Polizei eintraf? Dafür gab es nur eine logische Erklärung: Er brauchte dringend einen Dampfkutter, der ihn nach East Barnet bringen würde! Und der Mörder hatte Kate ja in
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