Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Henry Winterfeld
Vom Netzwerk:
Eltern und blickten sich drohend um.
    Wir Kinder hatten uns allmählich zurückgezogen. Als die Eltern sich nach uns umsahen, nahmen wir die Beine in die Hand und rannten nach allen Richtungen davon.

2
    Thomas betritt die Arena
    Ich lief in die »Stiege« zum Schuhmachermeister Wank. Es begann schon dunkel zu werden. Thomas saß in der offenen Ladentür auf einem Schemel und schlug Holzstifte in einen Stiefel. Herr und Frau Wank waren nicht da. Todsicher waren sie auf dem Geißmarkt unter den wütenden Eltern.
    »Thomas«, schrie ich aufgeregt, »jetzt sitzen wir in der Patsche! Unsere Eltern wollen uns alle umbringen!«
    Thomas legte den Hammer weg.
    »Geheimrat, du bist plötzlich übergeschnappt«, sagte er lächelnd.
    »Nein!«, stieß ich hervor. »Bestimmt nicht. Sie haben uns blutige Rache geschworen!« Ich war ganz atemlos, weil ich so gerannt war. Ich erzählte ihm hastig, was soeben auf dem Geißmarkt passiert war.
    Als ich geendet hatte, stand Thomas rasch auf und band sich die Lederschürze ab.
    »Da haben wir den Salat! Komm!«, sagte er entschlossen. Er lief aus dem Laden und ich hinterher.
    »Wo willst du denn hin?«, rief ich.
    »Zu den Piraten«, antwortete er und setzte sich in Trab. Ich war platt.
    »Zu den Piraten!?«, fragte ich verblüfft. Keuchend lief ich neben ihm her.
    »Wir müssen erfahren, was sie vorhaben«, sagte Thomas. »Vielleicht können wir sie zur Vernunft bringen. Die meisten Kinder machen doch nur aus Angst vor Oskar den ganzen Blödsinn mit.«
    »Sie werden uns die Jacke vollhauen!«, schrie ich verzweifelt und schob meine Brille zurecht, die mir auf die Nase gerutscht war.
    Thomas lachte nur.
    »Abwarten und Tee trinken, Geheimrat«, sagte er.
    »Wir wollen uns wenigstens Stöcke mitnehmen«, keuchte ich. »Der blutige Oskar kann uns nicht riechen!«
    »Dann wird er uns auch nicht fressen«, gab Thomas zurück.
    Ich fand seine Idee verrückt. Sollten doch die Piraten allein die Suppe auslöffeln, die sie sich eingebrockt hatten. Aber so ist Thomas immer. Er kümmert sich um alles. Auch um das, was ihn gar nichts angeht. Hier wollte er wieder versuchen, die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Dabei hatten wir sie gar nicht hineingestoßen.
    Wir bogen jetzt in die Friedensgasse ein und stießen beinahe mit Heinz Himmel zusammen, der uns entgegengelaufen kam.
    »Habt ihr schon gehört?«, rief er. »Unsere Eltern wollen uns an den Kragen!«
    Wir blieben stehen und begrüßten uns hastig:
    »Servus, Geheimrat!«
    »Servus!«
    »Servus, Kleiner.«
    Heinz Himmel ist unser treuester Freund. Er ist zwölf Jahre alt, aber sehr klein und schwächlich. Er hat einen Buckel und wird von den Kindern deswegen gehänselt. Trotzdem ist Heinz furchtbar gutherzig. Thomas hat ein besonderes Auge auf ihn. Er will jeden krumm und lahm schlagen, der den »buckligen Heinz« zu verspotten wagt. Heinz hängt mit einer wahren Affenliebe an Thomas. Der Kleine hat ihm dann auch durch eine große Heldentat seine Dankbarkeit bewiesen.

    »Weißt du was Näheres?«, fragte Thomas.
    »Nein«, sagte Heinz, »ich weiß nur, dass sie noch alle auf dem Geißmarkt sind und die Köpfe zusammenstecken. Krog führt das große Wort. Federwischer ist natürlich einer der Hauptschreier. Hinterher sind sie alle ins Rathaus gezogen. Sie sollen schreckliche Drohungen gegen uns ausstoßen!«
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Ich hab’ kein Wort verstanden«, erwiderte Heinz. »Ich war zu weit weg. Ich saß auf der Kastanie vor unserm Haus. Dann bin ich zu euch gerannt, um euch zu warnen.«
    »Danke«, sagte Thomas und klopfte ihm auf die Schulter.
    Heinz strahlte. Er ist immer sehr glücklich, wenn Thomas ihn lobt. »Was habt ihr jetzt vor?«, wollte er wissen.
    »Thomas will die Piraten zwingen, klein beizugeben«, sagte ich etwas von oben herab.
    Heinz riss vor Staunen die Augen auf. Als er hörte, dass wir gerade auf dem Wege zu den Piraten waren, wollte er sofort mitkommen. Aber Thomas schlug es ihm rundweg ab.
    »Du bleibst zu Hause, Kleiner! Verstanden? Geheimrat und ich werden auf uns selber aufzupassen haben. Du würdest uns nur zerquetscht werden!«
    Ich bin kein Feigling, aber bei Thomas’ Worten war mir doch nicht ganz wohl zumute.
    »Dann werde ich euch wenigstens die Daumen drücken«, sagte Heinz enttäuscht.
    »Abgemacht!«, sagte Thomas und setzte sich wieder in Trab. Wir liefen weiter. Heinz blickte uns bekümmert nach.
    »Hals- und Beinbruch!«, rief er hinter uns her.
    Wir erwiderten nichts. Wir rannten über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher