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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Henry Winterfeld
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einmal versucht, mit Willi Hak über meine Zukunftspläne zu reden. Aber Willi ist dümmer als ein Huhn. Außerdem hat er einen roten Schopf und furchtbar viele Sommersprossen.
    »Du, erfinde doch eine Kanone, mit der man auf den Mond schießen kann!«, sagte er.
    »Und warum soll man auf den Mond schießen?«, fragte ich.
    »Na so«, meinte er. »Das muss doch großartig sein, wenn man in den Mond ein Loch hineinschießt. Vielleicht kann man durch das Loch irgend etwas sehen!«
    »Ein Loch auf dem Mond würde man doch gar nicht sehen«, erwiderte ich. »Selbst mit einem Fernrohr nicht.«
    »Dann musst du eben ein Fernrohr erfinden, mit dem man das Loch sehen kann«, sagte er.
    Ich musste über seine idiotischen Vorschläge lachen. Da wurde er wütend. »Du plusterst dich mit deinen Büchern immer nur auf!«, fauchte er. »Aber erfunden hast du einen Dreck. Du kannst nicht einmal im Bogen gegen den Wind spucken!«
    »Das ist doch keine Erfindung«, sagte ich.
    »Aber ein großes Kunststück!«, rief er aus und lief weg.
    Er war dann richtig böse auf mich. Das war auch der Grund, warum er es auf Peter abgesehen hatte. Er wusste, dass ich den Kater sehr gern habe. Der Kater war unser Nachbar. Er besuchte mich oft. Es wäre besser gewesen, wenn Willi ihn in Ruhe gelassen hätte. Man soll einer Katze nichts an den Schwanz binden. Für uns Kinder waren die Folgen ungeheuerlich.
    Aber ich will alles hübsch der Reihe nach erzählen. Ich schreibe jetzt einfach hintereinander weg, was wir Kinder erlebten, als unsere Eltern die Stadt verlassen hatten. Es wird schon gehen. Ich habe im Aufsatz immer eine Zwei. Bloß mit dem Konjunktiv hapert es noch.
    Ich tippe natürlich auf Papas Schreibmaschine. Ich werde doch nicht ein so altmodisches Gerät benutzen wie einen Bleistift oder eine Stahlfeder.
    Am liebsten wäre mir eine geräuschlose elektrische Schreibmaschine. Aber die war meinem Alten zu teuer.

    Das Tippen ist gar nicht so leicht. Vorläufig vertippe ich mich noch immer. Besonders bei »a« und »u«. Wenn ich zum Beispiel »auch« schreiben will, kommt »uach« raus. Sehr oft schreibe ich »dei« statt »die«. Manchmal vergesse ich auch die Zwischenräume und das Umschalten. Dann entstehen so komische Wörter wie: »Fürunskinderwaren« oder »Manimmondeinloch«. Zum Totlachen. Es geht noch sehr langsam. Aber sonst macht es großen Spaß. Vielleicht hätte ich mich ohne die Schreibmaschine nie dazu entschlossen, die Geschichte von der »Stadt ohne Eltern« zu schreiben.
    Wenn ich nicht weiter weiß, schaue ich auf den Geißmarkt. Er war der Schauplatz der aufregendsten Ereignisse. Der Geißmarkt ist ein ehrwürdiger alter Platz. Wenn man durch unsere Stadt spaziert, landet man irgendwie immer wieder auf dem Geißmarkt. Er hat sehr alte Gebäude. Zum Teil noch aus dem Mittelalter. Besonders alt sind die Matthäikirche, das Rathaus, der Matthäusbrunnen und die Apotheke »Zur büßenden Magdalena«.
    Auf dem Geißmarkt kam auch die Bombe zum Platzen; denn die Wut unserer Eltern über die vielen schlimmen Streiche in der letzten Zeit war schon auf dem Siedepunkt angelangt.
    Ich stand zufällig am Fenster meines Mansardenstübchens und konnte alles genau beobachten. Der Kater Peter lag friedlich schlummernd in der warmen Augustsonne auf einer Bank vor dem Bäckerladen. Er träumte wahrscheinlich von der hübschen weißen Katze, mit der ich ihn einmal auf dem Dach unseres Nachbarhauses gesehen habe. Vielleicht träumte er auch von einer hoffnungslos dummen Maus, die ihm direkt in den aufgesperrten Rachen hineinläuft. Er merkte nicht das Geringste, als Willi sich von hinten heranschlich und ihm den Wecker an den Schwanz band. Eine erstklassige Leistung von Willi. Alle Achtung! Der selige Winnetou hätte sich nicht besser an das schlafende Bleichgesicht anpirschen können. Der Geißmarkt war fast menschenleer. Willi konnte seine Tat ungestört ausführen. Ich hinderte ihn auch nicht daran, weil ich sehr neugierig war, wie sich Peter mit dem Wecker am Schwanz verhalten würde.

    Klar, dass Willi den Wecker vorher aufgezogen hatte. Die Uhr bimmelte plötzlich dicht neben Peters Ohren los, als ob die freiwillige Feuerwehr käme. Peter machte einen riesigen Satz steil in die Luft, überschlug sich und schoss wie ein geölter Blitz über den Geißmarkt. Der Wecker an seinem Schwanz hüpfte wie ein hartnäckiger Teufel hinter ihm her. Der Briefträger Krüger kam gerade auf seinem Rad aus der Pfarrgasse und wollte um die Ecke
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