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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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die Stirnseite eines Schädels frei. Er steckte ein Metalllineal in den Boden, um die Maße des Schädels zu nehmen, und machte mehrere Fotos. Dann deckte er den Schädel wieder zu und gab die Daten in seinen Computer ein. In seinem tragbaren CD-Player hörte der Gringo die Stimme von Madonna.
     
    It’s gonna drive me crazy
    Music makes the bourgeoisie
    And the rebel come together
    Music makes the people
    Come together, come together.
     
    Der Tourist rückte das Visier zurecht und rechnete aus, dass er noch sieben Gräber vor sich hatte. Im Morgengrauen sind wir fertig, schätzte er. Und dann fuhr er mit der minutiösen Registrierung fort. In seinen Ohren erzählte ihm Madonna, was er schon wusste:
     
    Don’t think of yesterday
    And I don’t look at the clock.
     
28
     
    Morgado machte es sich auf seinem Sitz bequem. Noch bevor das Flugzeug in der Luft war, holte er den Umschlag hervor und riss ihn ungeduldig auf. Was für ein Geschenk sollte ein so sentimentaler Biker wie Jimmy für ihn haben?
    Er schüttelte den Umschlag. Zwei Fotos und ein Blatt Papier fielen auf seine Beine.
    Das erste Foto zeigte ein Baby mit einem Pokémon-T-Shirt.
    Das zweite Foto zeigte dasselbe Kind in den Armen einer Frau.
    Morgado erkannte die Gebärende aus der Laguna Salada.
    Auf dem Blatt stand: »Danke, dass Sie ihn auf die Welt geholt haben. Ich habe ihm den Namen Miguel Ángel gegeben, weil Sie unser Schutzengel sind.«
    Morgado war ganz aus dem Häuschen. Dann kam langsam in ihm ein Gefühl von Freude und Vertrauen auf. Er war ein Schutzengel und ein Ehrenmitglied der Cuervos. Diese Doppelrolle fing an, ihm zu gefallen.
    Er erkannte, wie es ist, an der Grenze zu leben: zwischen weißen und schwarzen Flügeln.

Gabriel Trujillo Muñoz
     
    Gabriel Trujillo Muñoz wurde 1958 in Mexicali in Baja California geboren, direkt an der Grenze zu den Vereinigten Staaten, und studierte an der Universität von Guadalajara Medizin. In den Achtzigerjahren – er arbeitete damals als Chirurg – nahm er intensiv am künstlerisch-intellektuellen Leben Mexicalis teil. Er begann, Essays, Lyrik und Romane zu schreiben, die das Leben in der Grenzregion reflektierten. Mit der zunehmenden Professionalisierung des nordmexikanischen Literaturbetriebs in den letzten Jahren trat die Medizin immer weiter zurück, und das Schreiben wurde zu seinem Hauptberuf.
    Heute ist Trujillo Muñoz einer der meistveröffentlichten Autoren seiner Heimat. Zudem hat er eine Professur für Kommunikationswissenschaften an der Universidad Autónoma de Baja California inne und fungiert als Herausgeber der Zeitschrift Semillero. In all diesen Funktionen steht sein Engagement für die Einzigartigkeit der »frontera« und ihrer kulturellen Identität im Mittelpunkt. Diese Grenze, an der die USA und Mexiko, reich und arm, Norden und Süden so radikal aufeinander treffen und Menschen und Drogen gehandelt werden, ist seine Kontrastfolie für die nationale Identität Mexikos, aber auch ganz allgemein für den Menschen an der Wende zum 21. Jahrhundert.
    Von besonderer Bedeutung hierbei ist die Kriminalliteratur. Erstmals wandte sich Trujillo Muñoz diesem Genre 1987 mit seinen Erzählungen Lucky Strike und De sueños y nostalgia. Lucky Strike und eine weitere Erzählung wurden 1990 in die erste Krimi-Anthologie Mexikos, En la línea de fuego, aufgenommen. 1995 veröffentlichte er seinen ersten Kriminalroman Mezquite Road in dem erstmals Miguel Ángel Morgado auftaucht, ein auf Menschenrechte spezialisierter Anwalt, eine neue Art Detektiv. Mit ihm hält in die mexikanische Kriminalliteratur eine neue, periphere Sichtweise Einzug. Mit Mezquite Road warTrujillo Muñoz Mitinitiator eines regelrechten Krimibooms Mitte der Neunzigerjahre in Mexiko, der mit der bis dahin in der Literatur vorherrschenden Konzentration auf die Hauptstadt brach und das gesamte Land als literarischen Schauplatz von Korruption, Verrat, Sehnsüchten und Leiden entdeckte.
    Trujillo Muñoz Tätigkeit als Schriftsteller wurde mit zahlreichen Preisen gewürdigt. So erhielt er beispielsweise den Premio Estatal de Literatura 1992 in der Kategorie Kulturjournalismus, 1994 in der Kategorie Roman, 1994 und 1996 in der Kategorie Poesie und 2000 in der Kategorie Erzählung. Zudem erhielt er 1998 den Premio Excelencia Fontera, 1999 den Premio Narrativa Colima und 2004 den Premio Nacional de Poesía Sonora.

Bibliografie
     
    Romane und Erzählungen:
    Lucky Strike (1987); De sueños y nostalgia (1987); Mexicali: crónicas
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